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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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15.08.2015 - Ausgabe: 4/2015

Fitnessanlagen im städtischen Raum

Von Jobst Seeger, Landschaftsarchitekt

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In Deutschland fanden sich Fitnessgeräte früher nur im Fitnessstudio, ihr Boom begann in den 1980’er Jahren, damals eher milde als „Muckibude“ belächelt, sind sie heute ein fester Wirtschaftszweig mit ca. 7,6 Millionen Mitgliedern im Jahr 2011 (Wikipedia). Bei allen wird in mehr oder weniger großen Räumen trainiert und das Angebot um Kurse mit besonderen Trainingseffekten erweitert. Aber macht es nicht mehr Sinn sich bei jedem Wetter im Freien zu bewegen? Zu trainieren, wie bei vielen Sportarten üblich, draußen bei Wind und Wetter?

Gehen wir in der Entwicklung noch einmal einen Schritt zurück. In den 1970-er Jahren (Wikipedia) entstanden die ersten Trimm-Dich-Pfade, es war eine richtige Volksbewegung, die der Deutsche Sportbund im März 1970 initiierte. Hintergrund dieser Bewegung waren damals schon Argumente, die für uns heute alte Bekannte, aber wichtiger denn je sind, Krankheitsprävention, Übergewicht, Herzinfarkt, kurz alle negativen Erscheinungen der Wohlstandsgesellschaft in Bezug auf Gesundheit. Nach der Olympiade 1972 kam es zu einem regelrechten Boom, der zu einem fast schon ekstatischen Bau von Trimm-Dich-Anlagen in deutschen Wäldern und Grünanlagen führte. In den 1990-er Jahren wurde der Boom dann von den aus dem Boden schießenden Fitnessstudios abgelöst. Die Argumentation ist geblieben.

Mit zunehmendem Streben nach Outdoor-Aktivitäten ist in der Bevölkerung auch das Interesse an Sport außerhalb von Turnhallen, Fitnessstudios oder Schwimmbädern gestiegen. Ein positiver Nebeneffekt des Trainings außerhalb von Gebäuden sind die Einflüsse der wechselnden Witterung und des damit verbundenen Trainings der Abwehrkräfte.

Ein Manko der Trimm-Dich-Pfade war unter anderem, dass sie häufig entlang von Waldwegen gebaut wurden. Damit war die Wegesituation gerade in Herbst und Winter sehr widrig, so dass die Anlagen in diesen Zeiten wenig genutzt wurden, bis die Volksbewegung „Trimm-Dich-Pfad“ schließlich weitgehend einschlief. Aber auch die Unterhaltung der Anlagen ließ mit der Zeit nach, was den Zerfall der meist aus unbehandeltem Holz gebauten Anlagen beschleunigt hat.

Outdoor-Fitnessanlagen sind keine neue Erfindung, es ist eher ein Relaunch der Trimm-Dich-Pfade mit einem zeitgemäßen Konzept und einer modernen Strategie. Dem Wunsch breiter Schichten der Bevölkerung nach Bewegungsräumen außerhalb von Gebäuden soll Rechnung getragen werden. Es gibt gerade in südlichen Ländern Europas bereits viele Beispiele, die zeigen, dass solche Anlagen funktionieren. Hierzulande wird häufig von China als Vorbild in dieser Bewegung gesprochen. Dort findet man Fitnessgeräte als Einzelgeräte in Straßen, in Form großer Geräteansammlungen in Parks, aber auch auf Firmengeländen. Allerdings muss dazu gesagt werden, dass Aktivitäten außerhalb von Gebäuden dort einen ganz anderen Stellenwert haben und dass Vandalismus in China eine unterordnete Rolle spielt. Insbesondere ältere Menschen treffen sich dort gerne in den Parks zum gemeinsamen Tanzen, Turnen und Musizieren, oder auch für Gesellschaftsspiele.

Zurück nach Deutschland. Im Jahr 2008 hat das Grünflächenamt der Stadt Frankfurt das Interesse von Bürgern aufgenommen und gemeinsam mit der Hochschule in Geisenheim eine Studie zu diesem Thema durchgeführt. Ziel dieser Studie war es zum einen herauszufinden, wie existierende Fitnessparcours von Seniorinnen und Senioren angenommen werden. Zum anderen sollte eine breitere Wissensbasis bezüglich seniorenfreundlicher Freiflächengestaltung geschaffen werden. Im Rahmen dieser Studie wurden mehrere, zum Teil unterschiedliche Fitnessanlagen, in Deutschland untersucht und vor Ort Interviews geführt, um Motivationen und Erfahrungen bei den Nutzern abzufragen.

Im Jahr 2009 wurde das Landschaftsarchitekturbüro Jobst Seeger aus Kriftel vom Grünflächenamt der Stadt Frankfurt mit der Planung einer Fitnessanlage mit Schwerpunkt Senioren in einer Frankfurter Grünanlage beauftragt. Auf Grund der Erfahrungen des Grünflächenamtes mit einer Anlage im Frankfurter Stadtteil Schwanheim und einer weiteren im Frankfurter Huth-Park, sollte unter Berücksichtigung der Studie aus Geisenheim, ein Konzept für Fitnessanlagen entwickelt werden. Dieses Konzept sollte als Vorbild für Anlagen im gesamten Stadtgebiet dienen.

Da sämtliche vorhergegangenen Projekte und auch die Studie ohne direkte sportmedizinische Beratung erfolgten, haben wir uns Unterstützung bei einer Physiotherapeutin, mit Arbeitsschwerpunkt auf  Mobilisierung und Reha-Maßnahmen für und mit Senioren geholt. Zusätzlich brachte sie Erfahrungen aus Fitnessstudios mit, die so weit reichen, dass sie bereits mit der Einrichtung von Fitnessstudios betraut war.

Im ersten Schritt musste ein Standort für die Anlage gefunden werden. Das Grünflächenamt hatte bereits eine Grünanlage ausgesucht, ein langgezogenes grünes Band, das einen Geländeabbruch zwischen dem Stadtteil Bornheim und der Eissporthalle bildet. Schwieriger wurde die Entscheidung, wo in dieser Grünanlage die Fitnessanlage sinnvoll platziert werden kann. Auch wenn nicht alle Kriterien der Studie aus Geisenheim erfüllt wurden, hat sich im Laufe der Jahre gezeigt, dass der offene Standort in der Nähe von schattenspendenden Bäumen der richtige ist.

Wichtige Faktoren für die weitere Planung waren die barrierefreie Erreichbarkeit der Geräte, ein großzügiges und durch die Verwendung von Pflanzflächen aufgewertetes Areal, sowie die Einbindung von Motivatoren. Motivatoren sind für uns Personen, die, durch Ihre Tätigkeit in Vereinen, Seniorenwohnanlagen oder Wohnquartieren einen Personenkreis mitbringen, der die Fitnessanlage regelmäßig nutzen wird. Diese Funktion können auch Physiotherapeuten, Ärzte, Teamleiter in Firmen oder Unternehmenschefs übernehmen. Diese Personen müssen ein Umfeld haben, das als potentielle Nutzer einer solchen Anlage interessant ist. Sie sind die Initialzündung für die Belebung einer Fitnessanlage nach dem Bau, denn sie muss möglichst sofort in den Alltag möglichst vieler Personen einziehen.

Bei der beschriebenen Anlage handelt es sich durch die Auswahl der Geräte um eine Fitnessanlage, die einen Focus auf Senioren hat, und zwar auf Senioren, die in ihrem Leben wenig Bezug zu Fitnessgeräten hatten. Solche Anlagen nennen wir, generationenfokussierte Anlagen. Wichtig ist, hier ein Angebot zu schaffen, das von jedermann genutzt werden kann, das gerade Personen anspricht, die nicht seit 10 Jahren in Fitnessstudios trainieren. Aus diesem Grund wurden die Geräte so ausgewählt, dass sie nur geführt Bewegungen zulassen. Auch eine Dosierung des Widerstandes wird vermieden, um den Fokus stärker auf die Mobilisierung und weniger auf die Kräftigung zu legen. Der gesundheitliche Ansatz dieser Parcours ist es, mit weniger Gewicht länger und ohne falschen Muskelaufbau zu trainieren. Der Verzicht auf eine Dosierung des Widerstandes hat den Nebeneffekt, dass die Anlage damit weniger interessant wird für jüngere Personen, die in erster Linie eine große und deutlich gezeichnete Muskulatur bevorzugen.

Für Personengruppen mit Erfahrungen im Training mit Geräten hält der Markt zahlreiche Geräte für Situps, Sideups oder ähnliche Übungen bereit. Anlagen mit solchen Geräten lassen sich auch mit einfacheren Mitteln bauen, hier kann je nach fokussierter Interessengruppe auf eine Befestigung, wie zum Beispiel Wege, verzichtet werden. Unter den Geräten sollte jedoch immer eine stabile und leicht trocknende Unterlage eingebaut werden. Solche Anlagen nennen wir, generationenübergreifende Anlagen.

Eine Variante der generationenübergreifenden Anlagen stellen die generationenübergreifenden Spielgeräte dar. Hierbei handelt es sich anders als bei Fitnessgeräten um Spielgeräte, für die auch die entsprechenden Normen aus der DIN EN 1176 greifen. Diese Anlagen können hervorragend in Spielplätze integriert werden und stellen dort ein schönes Angebot für Großeltern und Enkel dar. Hier liegen die Schwerpunkte auf dem spielerischen Bewegen, der Mobilisierung, dem Training motorischer Fähigkeiten und sozialen Komponenten. Die übrigen Aspekte des Fitnessgedankens spielen hier eine untergeordnete Rolle.

Bei der Auswahl der Geräte sollte neben den physiologischen Aspekten auch die qualitative Substanz beachtet werden. Anders als in China spielt in den hiesigen Grünanlagen Vandalismus eine große Rolle. Aber auch intensive Nutzung wird so manchem Lager und beweglichen Teilen zum Verhängnis. Wie in anderen Marktsegmenten auch, spiegeln sich die Material- und die Verarbeitungsqualität meist im Preis wider. Für standortgebundene Geräte von Outdoor-Fitnessanlagen wurden eigene Normen verabschiedet, DIN 79000:2012-05 und DIN 16630:2014-01. Sie stellen einen Mindeststandard dar und sollen die sicherheitstechnischen Anforderungen und Prüfverfahren solcher Geräte standardisieren. Natürlich geben Sie dem Bauherrn eine höhere Planungssicherheit, aber auch dem Nutzer eine höhere allgemeine Sicherheit. Ungeachtet dessen ist eine Besichtigung und eine gezielte Auswahl bestimmter Gerät wichtig für die Nachhaltigkeit einer Anlage.

Um die eingangs gestellte Frage zu beantworten, ja, Jogger, Nordic-Walker, Radfahrer, viele Spaziergänger nutzen das Angebot, unter freiem Himmel in einer innerstädtischen Grünanlage an Fitnessgeräten trainieren zu können, gerne. Die Lage der beschriebenen Anlage in Frankfurt Bornheim hat sich unter anderem deshalb als goldrichtig herausgestellt, weil sie an einer Wegeverbindung zwischen dem Wohnquartier Bornheim und dem Volkspark Ostpark liegt. Häufig machen Sportler auf dem Weg an den Fitnessgeräten halt, trainieren dort und setzten anschließend ihren Weg fort. Es kommen aber auch Personen aus dem Wohnquartier dorthin, nur um zu trainieren. Letztlich sind alle Anlagen für jeden nutzbar und durch die Auswahl der Geräte kann sich auf bestimmte Personengruppen enger oder weiter fokussiert werden.

 

Foto: Eibe

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