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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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15.08.2015 - Ausgabe: 4/2015

Hanteln waren gestern – Calisthenics: Trendsport Street Workout

Von Bernhard Hoppe-Biermeyer und Stephan Heber

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Calisthenics ist eine Kombination aus Ausdauer, Kraft und allgemeiner Körperbeherrschung. Beeindruckend anzusehen und unfassbar kraftraubend. Calisthenics setzt sich aus den griechischen Wörtern ‘kalos = schön’ und ‘sthenos = Kraft’ zusammen und beschreibt diese Trendsportart in Kombination ziemlich gut. Eines der Ziele ist es, eine gewisse Ästhetik in die Bewegungsabläufe der Kraftübungen einfließen zu lassen, was eine gewisse Grundsubstanz an Muskelmasse und entsprechende Kraft voraussetzt. Diese Sportart entstand in ihrer heutigen Form zu Beginn des 21. Jahrhunderts in New York. Dort wurden Sportparks innerhalb der urbanen Gebiete erbaut, an denen die Menschen dem Street Workout ohne Hanteln und Gewichte nachgehen konnten – Seite an Seite mit dem vorbeieilenden Fußgänger. In Deutschland gibt eine solche Möglichkeit jetzt in Delbrück.

Calisthenics ist ein junger Sport, den Vereine und Städte noch nicht wirklich für sich entdeckt haben. Genau darin scheint für die Aktiven auch ein Teil des Reizes zu bestehen, nicht normal organisiert zu sein. Calisthenics ist anders, weil es sich abseits von ausgetretenen Pfaden bewegt. Trainiert wird im öffentlichen Raum, fast alle Absprachen laufen über die sozialen Netzwerke. Wer Calisthenics betreibt, ist in der Regel keinem Sportverein angeschlossen. Wer anfängt, braucht auch keine Sportgeräte. Mit etwas Improvisation wird der Kinderspielplatz nebenan zum Übungsgelände. Genauso war es in Delbrück.

Eine kleine Gruppe traf sich auf dem Spielplatz an der Grundschule und trainierte an Geräten, die in jeder Beziehung zu klein dimensioniert waren. Trotzdem kamen schnell immer mehr, zwischen 14 und 35 Jahre alt, die meisten aber so um die 20 Jahre. Erst 10, dann 20, schließlich kamen ein paar Dutzend - mehr oder weniger regelmäßig - zum gemeinsamen Training. Bei den Übungen ist die Verwandtschaft zum Turnen unübersehbar. Je besser die jungen Athleten ihre Übungen machten, umso deutlicher wurden aber auch die Defizite bei den improvisierten Geräten.

Die beiden Delbrücker Roman Wunder und Stephen Heber waren von Anfang an dabei und bemühten sich rasch um bessere Trainingsbedingungen. Erste Station der beiden war der Stadtsportverband Delbrück, wo Calisthenics aber erst einmal erklärt werden musste. Das schadete nicht, im Gegenteil. „Entscheidend war, dass die Gruppe zu keinem Zeitpunkt den Eindruck machte, hier nur einem kurzlebigen Trend nachzujagen. Es sollte etwas Nachhaltiges aufgebaut werden. Hätten die handelnden Personen einen anderen Eindruck hinterlassen, wäre das Projekt wohl nie in Gang gekommen“, erinnert sich Stadtsportverbandsvorsitzender Bernhard Hoppe-Biermeyer.

Der Stadtsportverband holte den größten Sportverein im Ort, die DJK Delbrück, mit ins Boot. Gemeinsam wurde an die Stadt ein Antrag auf Bezuschussung für den Bau eines Streetworkout-Parks gestellt. Dem mit sachkundigen Bürgern und Kommunalpolitikern besetzten Sportausschuss der Stadt wurde in einer Sitzung das Konzept und auch der Sport selbst präsentiert. Die Präsentation hinterließ einen so positiven Eindruck, dass das ganze Projekt Fahrt aufnahm. Neben dem Sport waren jetzt auch Politik und Stadtverwaltung von der Nachhaltigkeit überzeugt.  

Ein Standort war schnell gefunden. Auf dem zentralen Sportgelände Delbrücks sollte die Anlage auf einer Freifläche aufgebaut werden. Im Umkreis von 300 Metern liegen unter anderem eine Laufbahn, ein Rasen-Fußballplatz, ein Hartplatz (Basketball, Handball, Fußball), zwei Dreifachsporthallen, drei Beach-Volleyballfelder, das Hallenbad und das Schulzentrum der Stadt.

Das ostwestfälische Delbrück, gelegen zwischen Paderborn und Gütersloh, ist mit 30.000 Einwohnern keine Sportmetropole mit großen finanziellen Ressourcen im städtischen Haushalt oder von Sponsorenseite. Überregional noch am ehesten bekannt sind die Volleyballer der DJK Delbrück, die in der 2. Bundesliga spielen. Der Schwerpunkt liegt auf dem Breitensport. 40 Prozent der Einwohner sind Mitglied in einem der 30 Sportvereine der Stadt. Der Sport in Delbrück kommt ohne hauptamtliche Strukturen aus. Vereine und Stadtsportverband werden ehrenamtlich geführt. Der Sportbegeisterung und sportlichen Vielfalt schadet das nicht, im Gegenteil. 2011 wurde Delbrück im Wettbewerb „Mission Olympic“ vom Deutschen Olympischen Sportbund als aktivste Stadt Deutschlands ausgezeichnet.

 

Der Streetworkout-Park

Vom Antrag bis zum Aufbau des Streetworkout-Parks verging ein Jahr. Sportler, Stadtsportverband, Verein und Stadt planten gemeinsam. Eine ganze Reihe von Problemen war zu lösen. Zu Planungsbeginn gab es etwa keinen deutschen Hersteller, bei dem so ein Streetworkout-Park hätte eingekauft werden können. Im Ausland wurde man fündig, allerdings hätte der Etat dann nur eine Mini-Anlage zugelassen. Überlegungen, einen dann größeren Park in Eigenleistung selbst zu bauen, wurden nach mehreren Gesprächen mit dem TÜV wieder fallen gelassen. Die TÜV-Auflagen konnten nicht in Eigenleistung erfüllt werden – zumindest schien das Risiko zu groß, etwas aufzubauen, dass das später wohlmöglich nicht genehmigungsfähig sei.

Im benachbarten Paderborn hatte die Firma Playparc aus Willebadessen für einen Outdoor-Fitness-Parcours im Ahorn-Sportpark Geräte und Konzepte geliefert, die gar nicht so weit von dem entfernt waren, was die Delbrücker planten. Playparc ist auf Spiel- und Bewegungskonzepte im öffentlichen Raum spezialisiert. Nach ersten Gesprächen wurde beschlossen, gemeinsam einen Prototyp für einen Calisthenics-Streetworkout-Park zu entwickeln und den dann in Delbrück aufzubauen.

Die Delbrücker Sportler definierten die Übungen, die sie machen möchten, und gaben vor, wie aus ihrer Sicht die Geräte aussehen müssten. Playparc konstruierte auf den Wünschen basierend den Prototypen des Streetworkout-Parks. Wie sich schnell herausstellte, waren die Delbrücker Wünsche und das, was technisch möglich und sinnvoll ist, gar nicht so weit voneinander entfernt. Auch nach mehreren Wochen an praktischen Erfahrungen mit dem Park würden die Delbrücker an ihrem Gerät nichts ändern wollen.

Die Erfahrungen, die Playparc beim Bau ihrer Geräte schon gemacht hatte, und die realistischen Delbrücker Wünsche führten zu einer raschen Planung. Zwei oder drei Treffen reichten aus, um die Konstruktion zur Baureife zu verfeinern. Der Auftrag wurde erteilt. Bauherr war der Sportverein DJK Delbrück. Die Fläche stellte die Stadt zur Verfügung.

Die Baggerarbeiten (Grube: 10 x 10 Meter, 0,4 Meter tief plus Löcher für die Fundamente) wurden vom städtischen Bauhof übernommen. Außerdem halfen zwei Bauhof-Mitarbeiter beim Aufbau der Anlage und beim Betonieren der Pfosten. Die Stadt übernahm auch die Kosten für den Beton. Außerdem packten Roman Wunder und Stephen Heber bei sämtlichen Aufbauarbeiten selbst mit an. Dadurch konnten selbst vermeintliche Kleinigkeiten im Ansatz bedacht werden. Berücksichtigt wurde beim Aufbau der Anlage etwa der Verlauf der Sonne, damit die Sportler beim Ausführen der Übungen möglichst nicht geblendet werden.

Da in Delbrück der Prototyp der Anlage aufgestellt wurde, stellte Playparc ebenfalls zwei Mitarbeiter zum Aufbau der Anlage. Dies ist nicht üblich und verursacht normalerweise zusätzliche Kosten. In der Regel werden Anlagen wie diese mit Montageanleitung, Schraubenkleber (Loctite), entsprechendem Werkzeug (extra Schraubköpfe) usw. verkauft. Die Bauhöfe der Städte und Gemeinden bauen etwa Spielplätze auch selbständig nach Montageanleitungen auf, so dass der Aufbau der Calisthenics-Anlage ebenfalls kein Problem darstellen sollte.

Die Finanzierung organisierte die DJK Delbrück. Der Park selbst kostete brutto rund 13.000 Euro (einige Extras wie Sitzbänke und ein zusätzlicher Barren inklusive). Die Kosten für den Beton übernahm die Stadt, die dem Verein außerdem einen Zuschuss über 7.500 Euro bewilligte. Für den Rest suchte (und fand) die DJK Sponsoren.

Nicht in den Kosten enthalten ist der Fallschutz. Der Kauf von Fallschutzplatten hätte den Etat des Vereins gesprengt. Sinnvolle Alternative war Fallschutzkies, der auf der 10 mal 10 Meter großen Grundfläche 40 cm tief eingebracht wurde. Das hatte drei Vorteile. Der Kies ist ein wirksamer Fallschutz, für den speziellen Kies konnte ein örtlicher Baustoffhändler als Sponsor gefunden werden und das Verteilen des gelieferten Kieses konnte die Calisthenics-Gruppe in Eigenleistung übernehmen, was die Identifikation der Sportler mit dem Projekt erhöhte.

 

Foto: Playparc

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