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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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15.04.2016 - Ausgabe: 2/2016

Partizipationsverfahren und Einbindung der Akteure

Von Christian Loderer, plancontext gmbh

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Beteiligung mit Joan-Miró.

Besonders bei der Planung von Spielplätzen und Schulhöfen ist es wichtig, die späteren „Nutzer“ – die Kinder, intensiv einzubinden. Erwachsene verlieren leicht den Sinn dafür, was Spaß macht und ankommt. Dass auch Erzieher, Lehrer und Eltern wichtige Impulsgeber sind und auch die Belange der Anwohner Gehör finden sollen, ist ebenfalls selbstverständlich.

Immer wieder stellt sich allerdings die Frage, wie eine gelungene Partizipation aussehen kann. Bei der Umgestaltung von drei Schulhöfen und einem angrenzenden Spielplatz in Berlin wurde ein Modellprojekt initiiert.

 

Das Projekt

Eine der begehrtesten und teuersten Wohngegenden Berlins ist der Savignyplatz nördlich des Ku’damms. Die Gegend mit teilweise prachtvollen Altbauten, Restaurants, Cafés und Boutiquen hat Bohème-Flair. Vor allem durch Platzmangel im dicht bebauten Quartier entsteht allerdings eine gravierende Unterversorgung mit Sport- und Spielflächen. Die Spielgeräte auf den Schulhöfen der Joan-Miró-Schule und einem öffentlichen, gegenüber liegenden Spielplatz haben einen entsprechend hohen Abnutzungsgrad und mussten teilweise bereits abgebaut werden. Mit der Maßnahme sollen nun die gestalterischen und funktionalen Defizite beider Flächen behoben werden.

Für die Umgestaltung und Aufwertung werden 815.000 Euro aus dem Städtebauförderungsprogramm „Aktive Zentren“ bereitgestellt. Träger der Maßnahme ist der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Begleitet wird der Prozess von der Koordinierungsstelle „Aktive Zentren City West“. Ein Förderkriterium ist die umfassende Partizipation, für die Mittel bereitgestellt werden.

In einem umfassenden Beteiligungsverfahren wurden seit September 2015 zahlreiche Ideen und Anregungen von Kindern, Fachbehörden, der Nachbarschaft und weiteren Experten zusammengetragen. Ende Januar 2016 fand eine schulweite Abstimmung verschiedener Entwürfe statt. Die besten Elemente flossen in den Vorentwurf ein. Dieser orientiert sich gestalterisch am Stil des namensgebenden Künstlers Joan Miró. Die Umsetzung ist in mehreren Bauabschnitten bis zum Sommer 2017 vorgesehen.

 

Inklusion

Eine wesentliche Zielsetzung des Bezirks ist laut zuständigem Stadtrat Marc Schulte die barrierefreie und gendergerechte Aufwertung der Spielplätze und Pausenhöfe. Die entstehenden  „inklusiven Spielbereiche“ sollen Kindern gleich welcher Herkunft, Hautfarbe, Religion, Begabung oder Geschlecht die Gelegenheit bieten, sich auf ihre Weise und nach ihren Möglichkeiten auf den Spielplätzen aufzuhalten, sie zu nutzen und zu erobern. Die Informations- und Beteiligungsveranstaltungen wurden dazu genutzt, ein entsprechendes Verständnis und Grundwissen zu vermitteln.

 

Unser Partizipationsansatz

Für die Umgestaltung sowohl des Kinderspielplatzes wie auch der Schulhofflächen der Joan-Miró-Schule haben wir ein umfassendes Beteiligungsverfahren vorgesehen. Geeignet erschien eine Vielzahl von bewährten Methoden, Kreativitätstechniken und Ansätzen, die sich passgenau und sinnvoll kombinieren lassen.

Die vorgeschlagenen Methoden und Abläufe stützen sich unter anderem auf Empfehlungen des „Handbuchs zur Partizipation“, das vom Berliner Senat 2011 herausgegeben wurde, und speziell im Hinblick auf die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen die 1999 vom Berliner Senat beschlossenen „Leitlinien für eine kinder- und jugendfreundliche Stadt“ sowie auf umfangreiche eigene Erfahrungen unseres Büros.

 

Der erste Schritt: Die Definition der Zielgruppen

Durch die Partizipation sollen verschiedene Interessen berücksichtigt und möglichst alle unterschiedlichen Zielgruppen aktiviert und einbezogen werden.

Hauptnutzer der Pausenhöfe ist die Joan-Miró-Grundschule, die unter ihrem Dach zwei Schulen mit unterschiedlichen pädagogischen Konzepten vereint:  eine reguläre Grundschule und eine deutsch-spanische Europaschule in Form einer gebundenen Ganztagsschule. Das Einzugsgebiet der Regelschule umfasst die City im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Die Kinder der Deutsch-Spanischen Europaschule kommen aus ganz Berlin. Im Schuljahr 2013/14 besuchten 735 Schülerinnen und Schüler die Schule, davon 495 nichtdeutscher Herkunftssprache. Betreut wurden sie von 62 Lehrkräften und 30 Erzieherinnen. [Quelle: http://www.joan-miro-grundschule.de/]

Der gegenüber liegende Spielplatz wird von Kindern des umliegenden Quartiers und von Kita-Gruppen genutzt. Auch die Schulhöfe sollen zukünftig stärker den Kindern und Jugendlichen aus der näheren Umgebung offen stehen.

Vor allem Kinder und Jugendliche stehen also im Fokus der Beteiligung. Betroffene sind auch Eltern, Lehrer, Erzieher und natürlich Anwohner.

 

Regelmäßiger Runder Tisch mit den Akteuren

Zur Vorbereitung und Begleitung des Partizipationsverfahrens und der Umgestaltung wurde ein regelmäßiger „Runder Tisch“ mit den Hauptakteuren und Entscheidern eingerichtet. Vertreter des Bezirksamtes, der Koordinierungsstelle, der Schule und unseres Teams treffen sich in einem etwa vierwöchigen Rhythmus in der Schule. Zur Unterstützung wurden bei Bedarf weitere „Experten“ eingeladen wie die Gleichstellungs- und Behindertenbeauftragen, Vertreter der polizeilichen Prävention, die Bildungsbeauftragte und ein Spielgerätehersteller.

Das Schülerparlament, die Elternvertretung, die Erzieher und die Lehrer wurden in jeweils separaten Terminen über die geplante Umgestaltung informiert und um die aktive Unterstützung gebeten.

 

Auftakt zum Schulfest

Beim jährlichen Schulfest im September 2015 wurde ein Infostand eingerichtet, an dem Schüler, Eltern und Besucher erste Informationen erhielten und zum Mitmachen eingeladen wurden. Vertreter des Bezirksamtes und unser Team standen für Fragen und erste Anregungen zur Verfügung. Der Infostand stand gestalterisch unter dem Motiv „Baustelle“, ein symbolisches Bauschild wurde aufgestellt.

Die Besucher konnten auf einem Lageplan mit Klebepunkten Hinweise geben: rote Punkte standen für Kritik, grüne Punkte für Lob. Daraus entstand ein „Stimmungsbild“, mit denen sich Prioritäten der Umgestaltung ablesen ließen.

Konkretere Hinweise zu Missständen  konnten die Besucher auf Zettel im  „Kummerkasten“ hinterlassen, Ideen und Wünsche zur Umgestaltung konnten an einem einen „Wunschhain“ befestigt werden. Der Kummerkasten wurde vor allem von den Erwachsenen genutzt, während die Kinder meist sehr konkrete Wünsche zur Ausstattung am Wunschhain befestigten.

 

Unterrichtsprojekte

Mit Hilfe von engagierten Lehrern und Erziehern wurden Unterrichtsprojekte zur Umgestaltung initiiert.

Beispielsweise wurden Exkursionen zu Spielplätzen und Schulhöfen der Umgebung unternommen und in Form einer „Fotosafari“ dokumentiert. Die Kinder konnten so eine vergleichende und bewertende Auseinandersetzung mit dem Umfeld erlernen und neue Ideen sammeln.

Außerdem wurden liebevolle Modelle und Zeichnungen erarbeitet und eine Umfrage nach den beliebtesten Tätigkeiten in der Pause von den Schülern initiiert.

Diese Anregungen wurden von uns dokumentiert, ausgewertet und so weit wie möglich in der Planung berücksichtigt. Alle Unterrichtsprojekte wurden zur Planungswerkstatt in Form einer Ausstellung präsentiert.

 

Planungswerkstatt

Alle Akteure, Betroffenen und Interessenten waren im November 2015 zu einer großen öffentlichen Planungswerkstatt eingeladen. Kinder und Jugendliche, Lehrer und Erzieher, Anwohner und „Experten“ sollten sich austauschen und aktiv einbringen.

Im Vorfeld wurden von den Schülern Plakate sowie 1.000 Einladungsflyer in der Nachbarschaft verteilt. Außerdem wurden persönliche Einladungen an Akteure und Multiplikatoren versandt.

Teilnehmer ohne Ortskenntnis erhielten die Möglichkeit zu einer gemeinsamen Ortsbegehung.

Nach kurzen einführenden Motivations- bzw. Impulsreferaten der Gastgeber wurden den Teilnehmern in einer Beamerpräsentation die Ausgangslage, die Rahmenbedingungen und die Ziele dargestellt. Dadurch sollte zunächst eine gemeinsame Informationsbasis geschaffen werden. Der zweite Teil der Präsentation sollte die Teilnehmer mit  „Best Practice-Beispielen“ inspirieren und eine aufgeschlossene und kreative Atmosphäre fördern.

Nach einer kurzen Pause erfolgte eine Aufteilung in 6 Arbeitsgruppen, unterteilt nach den unterschiedlichen Zielgruppen „Eltern und Anwohner“, „Lehrer und Erzieher“ sowie 3 Kindergruppen mit Fokus auf jeweils einen Hofbereich. Moderiert wurden die Tische von jeweils einem Planer aus unserem Team und einem Vertreter des Runden Tisches. Wichtig war eine aktivierende Beteiligung durch spielerische, jeweils altersgerechte Herangehensweise. Zunächst wurden in einer „Kritikphase“ Konflikte, Bedenken, fehlende Ausstattung etc. auf roten Kärtchen notiert. In einer anschließenden „Phantasiephase“ wurden Wünsche, Ideen und Träume notiert oder Ideen skizziert. Die anwesenden  „Experten“ standen den Arbeitsgruppen als Ansprechpartner zur Verfügung.

Im Anschluss stellten sich im Plenum Vertreter der Arbeitsgruppen die Ergebnisse gegenseitig vor. Es folgte eine gemeinsame Diskussion und vorläufige Auswahl der wichtigsten Ideen, die weiter verfolgt werden sollten.

 

Schüler-Voting

Die Anregungen und Wünsche wurden ausgewertet und Planungsvarianten entwickelt, die den Schülern vorgestellt wurden. Für den Spielplatz und jede der drei Pausenhofflächen wurden jeweils zwei Gestaltungsvarianten entworfen, die sich im Wesentlichen in der Ausstattung und den Spielangeboten unterschieden. Eine Berücksichtigung aller Wünsche und Vorschläge war auf Grund der beschränkten Fläche und des vorhandenen Budgets nicht möglich.

Die Klassen der Joan-Miró-Schule wurden zusammen mit ihren Klassenlehrern zu Abstimmungsterminen in die Aula eingeladen. Insgesamt fanden sechs Abstimmungstermine statt, an denen alle Klassen teilgenommen haben.

Nach einer kurzen Beamerpräsentation bekamen die Mädchen jeweils vier grüne und die Jungen vier rote Klebepunkte. Auf einem „Abstimmungsplan“ konnten die Kinder Gestaltungsvarianten auswählen.

Die Ergebnisse der Abstimmung zeigten klare Favoriten. Dabei gab es keine großen Unterschiede im Abstimmungsverhalten von Jungen und Mädchen. 

 

Infoveranstaltung

Die Ergebnisse des Schüler-Votings wurden allen Interessenten Anfang März im Rahmen einer öffentlichen Informationsveranstaltung präsentiert. Dazu wurden nochmals alle Lehrer, Erzieher, Anwohner und Kinder eingeladen, sowie Plakate und Flyer verteilt.

 

Ausblick: Partizipation in der Umsetzungsphase

Die Partizipation soll damit nicht abgeschlossen sein. Über eine regelmäßige Veröffentlichung des Bautenstandes auf der Schul-Homepage, weitere Infoveranstaltungen und Baustellenbegehungen während der Umsetzungsphase hinaus sollen vor allem die Kinder aktiv in geeignete Gestaltungsprojekte einbezogen werden.

Im Vorfeld wurden bereits von einer Elterninitiative Spendengelder für eine Kletterwand gesammelt, weitere solcher Aktionen oder praktischer Eisätze von Eltern und Kindern wären natürlich wünschenswert.

 

Fazit

Nach unserer Erfahrung gelingt es durch eine intensive Partizipation, außergewöhnliche und innovative Spielanlagen zu entwerfen, die die Wünsche der Kinder und Jugendlichen aufgreifen und dadurch zu einer besonders starken Identifikation beitragen.

Wichtig ist ein ausreichender zeitlicher Rahmen, sowie eine intensive Vor- und Nachbereitung der Termine. Das setzt natürlich auch die Bereitstellung ausreichender finanzieller Mittel voraus

Für eine gelungene Partizipation gibt es kein Patentrezept. Komplexere Beteiligungsverfahren müssen passend für jedes Projekt maßgeschneidert werden. Die Kombination von geeigneten Bausteinen soll im Rahmen der zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten ein bestmögliches Partizipationsergebnis erreichen.

Die Methodik soll aktivierende und spielerische Elemente umfassen, die auf Erkenntnisse der Kreativitätsforschung basieren - bis hin zu komplexen modernen Beteiligungsansätzen.

Wir danken daher allen Akteuren und Unterstützern, ohne die dieses umfangreiche Partizipationsverfahren nicht möglich gewesen wäre. Den weiteren Fortschritt des Projektes können Sie auf der Website der Joan-Miró-Schule verfolgen: http://www.joan-miro-grundschule.de/

 

Foto: plancontext gmbh

 

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