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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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14.02.2024 - Ausgabe: 1/2024

Neue Schule - neues Glück

Neugestaltung der Fritz-Gansberg-Schule in Wiesbaden

Von Dipl.-Ing. Sebastian Pertsch (Bierbaum.Aichele.landschaftsarchitekten)
Photo
© Bierbaum.Aichele.landschaftsarchitekten

Wenn es eng wird im eigenen Haus, weil die Familie wächst, ist es Zeit für einen Wohnungswechsel. Besteht gar die Möglichkeit für einen Neubau, umso besser, lassen sich doch so die eigenen Wünsche am besten realisieren. So erging es auch der Fritz-Gansberg-Schule, einer traditionsreichen Grundschule in zentraler Lage in Wiesbaden. Durch stetigen Zuwachs wurde sie 2017 auf 4 Klassenzüge erweitert. Um den Raumbedarf zu decken, wurden daraufhin provisorisch Container auf dem Kleinspielfeld des eigenen Schulhofs aufgestellt, was das Außengelände noch zusätzlich verkleinerte. Ein Umzug wurde immer dringlicher!

 

Naturräumliche und hochbauliche Voraussetzungen

Bei der Suche nach einem neuen Standort, der sinnvollerweise nicht zu weit entfernt vom alten sein sollte, fiel die Wahl auf ein ca. 500 Meter stadtauswärts gelegenes Grundstück am Moltkering, einer zweispurigen Hauptstraße. Die Umgebung ist geprägt von einer lockeren Einfamilienhausbebauung sowie anderer Erziehungs-bzw. Bildungseinrichtungen entlang des Moltkerings. Das Grundstück liegt am Fuße eines weitestgehend unbebauten Hügels, der im unteren Bereich Ruderalflächen und Kleingärten, hangaufwärts offene Wiesenlandschaften mit herrlichem Blick auf die Stadt aufweist. Auf Grund seiner Lage an der westexponierten Hangzone wird der neue Schulstandort in der Klimafunktionskarte der Stadt Wiesbaden als siedlungsnahes Kalt- und Frischluftproduktionsgebiet ausgewiesen. Daher durfte von der neuen Schule keine allzu große Barrierewirkung für die innerstädtische Durchlüftungsfunktion ausgehen.

Das Hochbaukonzept der Wiesbadener Architekten Kissler Effgen + Partner, die 2014 zusammen mit Bierbaum.Aichele.landschaftsarchitekten den Zuschlag im Rahmen eines VOF-Verfahrens erhielten, sah einen Neubau aus drei Gebäuderiegeln in Nord-Südausrichtung und einem dazu orthogonalen Verbindungstrakt vor. Die drei Gebäuderiegel entwickeln sich terrassenartig hangaufwärts und folgen damit der Höhenentwicklung des Geländes. Einerseits reagiert der Grundriss auf die schwierigen Gründungs- und Bodenverhältnisse. Andererseits ermöglicht die kammartige Struktur einen zentralen Wunsch der Schulleitung, nämlich Innen- und Außenraum stärker mit einander zu verbinden und möglichst jedem Klassenzimmer einen eigenen Zugang zum Außengelände zu bieten.

 

Freiraumkonzept

Das Freiraumkonzept orientiert sich an den umliegenden durchgrünten Hängen, die als Ausläufer des Taunus bis in die Kessellage der Innenstadt reichen. Als bewusstes Gestaltungselement sollte die Landschaft in Form von offenen Grünräumen um das Schulgebäude fließen. Die ortsbildprägenden Obstbäume, Gehölzsäume und Wiesenstrukturen wurden als natürliche Gestaltungselemente für das neue Schulaußengelände aufgegriffen.

Ein Blick auf den Entwurf zeigt den hohen Grünanteil der Schulhofflächen, die insgesamt eine Fläche von 10.900 m² umfassen. Neben den gestalterischen Gründen wurde damit ein klimagerechter Planungsansatz verfolgt, der in der Landeshauptstadt mittlerweile bei vielen Bauprojekten verfolgt wird. Die verhältnismäßig kleinen befestigten Schulhofflächen wurden auf Grund des höheren Rückstrahlvermögens der Sonneneinstrahlung mit hellen Oberflächenbelägen ausgeführt. 

Bei einer ersten Bestandsaufnahme stellte sich das Grundstück als dicht bewachsene, stark geneigte Fläche mit dichtem Waldbestand dar. Im oberen Hangbereich wurde nicht in den Wald eingegriffen, wohingegen die Bepflanzung auf dem Baufeld natürlich weichen musste. Die hier vorgefundene Hirschkäferpopulation erhielt in den erhaltenen Waldflächen ein Ersatzhabitat. Der ursprüngliche Plan, in der erhaltenen Waldfläche eine Lichtung zu schaffen und dort ein grünes Klassenzimmer einzurichten, scheiterte aus Artenschutz- und Sicherheitsbedenken sowie Kostengründen. Die Verkehrssicherungspflicht, hätte zu hohe laufende Unterhaltskosten verursacht, um den Bereich z.B. gegen herabfallende Äste zu schützen.

 

Vielfältige Erlebnisräume

Dennoch war es den Planenden wichtig, dass die neu entstandene Hangkante mit in die Gestaltung einbezogen und erlebbar gemacht wurde. So wurden eine Hangrutsche und eine breite Sitzstufenanlage in die Böschung gebaut. Letztere liegt dem hinteren Schulausgang gegenüber und kann auch für Veranstaltungen oder als Freiluftklassenzimmer genutzt werden. 

In der nordöstlichen Ecke, wo der Höhenunterschied zwischen Planung und Bestand am größten ist, wurde aus der Not eine Tugend gemacht und die dort notwendige Stützwand zur Kletterwand umfunktioniert. Auf dem zwischen Böschung und Schulgebäude gelegenen befestigten Schulhof befinden sich ein großer Sandspielbereich, Spielgeräte und eine Tischtennisplatte. Bei vielen verwendeten Spielgeräten handelt es sich noch um die Bestandsgeräte der Schule, die mitumgezogen wurden. Die Nutzung „alter“ Spielgeräte kann ökonomisch sinnvoll sein und bietet den umziehenden Schülern auch einen Erinnerungsanker an die alte Schule. Hervorzuheben ist dabei die Torwand, die durch die Schüler bemalt wurde und mit der sich auch ein Stück „Fritzi-Identität“ im neuen Schulumfeld wiederfindet.

Ein weiterer Wunsch der Schulleitung und sicher auch vieler SchülerInnen war das Soccerfeld mit EPDM-Belag und Ballfangzaun. Ein richtiger Fußballkäfig also und der Traum eines jeden Nachwuchskickers. Eingerahmt wird das Kleinspielfeld von Rasenflächen und einem dichten Weidenlabyrinth, das zum Verstecken und zum freien Spiel einlädt.

Nebeneinander angeordnet finden die Kinder so ganz unterschiedlich geartete Spielangebote vor. Neben den klassischen Spiel- und Sportangeboten wie z.B. einem Bolzplatz, lernen sie auch informelle, deutungsoffene Angebote kennen, die ein fantasievolles Spielen fördern. Auf einer übergeordneten Ebene gilt das auch für ein Angebot unterschiedlicher Räume, die die Kinder ihren jeweiligen Bedürfnissen entsprechend aufsuchen können und die für eine individuelle Entwicklung wichtig sind: Aktionspunkte, Rückzugsräume, Treffpunkte und Versammlungsorte. Die Raumbildung erfolgte mit den klassischen Mitteln der Landschaftsarchitektur durch Pflanzungen, Mauern und Erdmodellierung.

 

Schützende Innenhöfe

Gut ablesbar ist dieses Prinzip auf der anderen, der nördlichen Seite. Das hangaufwärts noch sehr steil abfallende Gelände wurde im weiteren Verlauf sanft modelliert, so dass der Eindruck einer fließenden Landschaft gestärkt wurde. Mit der hier entstandenen Obstbaumwiese ist ein nahezu idyllischer Ort mit Fernblick auf die Stadt entstanden, der die Kinder zum Klettern und Balancieren auf einzelnen Spielgeräten oder einfach auch nur zum Ausruhen auf Baumstämmen und Sitzmäuerchen einlädt. Gestalterisch zieht sich die Obstbaumwiese über leichte Geländemodellierungen in den mittleren Hof hinein. Hier, in einem vom Schulgebäude eingerahmten Grünraum, mäandriert eine kleine strauchbestandene Erhöhung entlang der Hoffläche, bietet auf integrierten Steinmäuerchen Sitzplätze und dient gleichermaßen als optischer Filter vor neugierigen Blicken aus den gegenüberliegenden Klassenräumen. Mit diesem Hof ließ sich der Wunsch der Schulleitung nach direkten Zugängen von den Klassenzimmern in den Außenbereich umsetzen. Alle umliegenden Klassenräume haben direkte Sicht auf den grünen Hof sowie auf die Hochbeete und die Kräuterspirale, die hier einen praxisorientierten Unterricht im Umgang mit Pflanzen ermöglichen.

Der westlich sich anschließende untere Hof bietet insbesondere den Erstklässlern, die hier ihre Klassenräume haben, eine geschützte Umgebung. Mit seiner großen Sandspielfläche und den locker darum angeordneten Sitzelementen aus Natursteinblöcken und Baumstämmen, wurde ein freundlicher Ort für Schulanfänger und ein behüteter Einstieg ins Schülerleben geschaffen, denn nicht wenige der frisch Eingeschulten fremdeln noch mit der neuen Schulumgebung und der großen Zahl an Mitschülern. Die an der Stirnseite des Hofes untergebrachte Schulmensa ist über eine Außenterrasse direkt mit dem Hof verbunden, so dass sich der Hof in der Mittagszeit auch für die restlichen Kinder öffnet.

Zum Moltkering hin präsentiert sich die Schule eher zurückhaltend. Der kleine Vorplatz mit den Fahrradstellplätzen leitet die Schüler zur breiten Eingangstreppe, hinter der sich das hohe und sehr großzügige Foyer verbirgt. Die benachbarte Turnhalle verleiht der Frontseite durch ihr massives Bauvolumen eine leicht trutzige Wirkung, die aber durch die baumbestandene Rasenböschung und das Graffiti mit den Fritzi-Symbolen aufgelockert wird.

 

Fazit

Es hat sich gezeigt, dass das Konzept eines naturnahen Schulaußengeländes in Hanglage eine herausfordernde aber lohnende Aufgabe ist. Durch die Nutzung der Topographie konnte ein erlebnisreiches Außengelände realisiert werden, das auf verschiedenen Plateaus eine Vielzahl unterschiedlicher Erlebnisräume anbietet. Allerdings muss auch festgehalten werden, dass ein beträchtlicher Anteil des zur Verfügung stehenden Budgets durch die Bodenarbeiten und Hangsicherungsmaßnahmen benötigt wurde. Auch wurden kurzfristige Planungsänderungen, etwa durch Setzrisse im Boden, notwendig. Durch eine gute Kommunikation aller Planungsbeteiligten und eine professionelle Projektsteuerung konnten aber alle Probleme frühzeitig gelöst werden. Mit der städtischen Baugesellschaft WiBau GmbH, die auch Eigentümerin und Bauherrin der Schule ist, stand ein im Schulbau versierter Partner bereit.

Trotz der aufkommenden Coronapandemie konnten die Bauzeiten eingehalten werden und die Schuleröffnung wie geplant nach den Osterferien 2021 stattfinden. Mittlerweile läuft der Schulbetrieb routiniert und alle Nutzerinnen und Nutzer der neuen Fritzi freuen sich gerade in Corona-Zeiten über die großzügigen naturnahen Außenanlagen.

Für uns hat das sich durch das Projekt erneut gezeigt, wie sehr sich Schule in den letzten Jahren verändert hat. Durch den zunehmenden Betrieb von Ganztagsschulen und durch Angebote der Nachmittagsbetreuung wird das Schulumfeld zunehmend zum Lebensraum vieler Kinder. Auch an der Fritz-Gansberg-Schule verbringen rund 90 % der Kinder bis zum Nachmittag ihren Alltag in der Schule. Themen wie Inklusion, zunehmende Individualisierung und kulturelle Vielfalt verlangen nach ausdifferenzierten Schul- und Freiraumkonzepten. Insofern gibt es zurzeit kaum eine anspruchsvollere und interessantere Bauaufgabe für LandschaftsarchitektInnen als die Gestaltung von Schulhöfen. Hält man sich die häufig erlebnisarmen Höfe der großen Schulzentren aus den 1970er Jahren mit meist mehr als 1.000 Schülern vor Augen, werden die Qualitäten vieler Schulhöfe aus heutiger Zeit noch mal deutlicher. 

 

Weitere Informationen:

Bierbaum.Aichele.landschaftsarchitekten Part.GmbB

Untere Zahlbacher Str. 21

D-55131 Mainz T: +49(0)6131.669 25-0

www.bierbaumaichele.de

 

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