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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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15.02.2023 - Ausgabe: 1/2023

Grundinstandsetzung Schulhof Wartiner Straße 6, Berlin-Lichtenberg

Von Lioba Lissner, Susanne Moll, Claus Herrmann (hochC Landschaftsarchitekten PartGmbB)
Photo
© hochC Landschaftsarchitekten PartGmbB

2016 bis 2021

Wir schreiben das Jahr 2006 – noch ist das starke Bevölkerungswachstum, welches Berlin in den nächsten Jahren haben wird, kein Thema. In Wartenberg, einem Ortsteil des Berliner Bezirkes Lichtenberg, wird die Grundschule an der Wartiner Straße 6 geschlossen: in der Gegend gibt es zu wenige Schüler. Schulgebäude und Turnhalle werden verschlossen, das Gelände fällt in einen Dornröschenschlaf und die Natur holt sich weite Teile des Geländes zurück.

Zehn Jahre später, im Jahr 2016, platzen insbesondere die Grundschulen in der Gegend aus allen Nähten. Im Bezirk Lichtenberg werden viele neue Wohnungen und Einfamilienhäuser errichtet und die Schüler*innenzahlen steigen schnell. Der Bezirk entscheidet, den Schulstandort zu reaktivieren und eine zweieinhalbzügige Grundschule mit offenem Ganztagsbetrieb zu eröffnen. Künftig sollen 320 Kinder zwischen 6 und 12 Jahren mit ihren Lehrer*innen und Erzieher*innen das Gelände wieder mit Leben erfüllen. 

Das zu DDR-Zeiten in Plattenbauweise errichtete Schulgebäude und die Sporthalle sind trotz des Leerstandes noch in einem guten Zustand und sollen saniert und durch einen Mensa-Anbau ergänzt werden. Der Schulhof ist in den 10 Jahren des Leerstands jedoch stark verwildert und zugewuchert. Auch beim genauen Hinsehen lassen sich der Pausenhof und die Sportanlagen zwischen den groß gewordenen Bestandsbäumen nur noch erahnen. 

Im Rahmen eines mehrstufigen Bewerbungsverfahrens hat das Büro hochC Landschaftsarchitekten PartGmbB den Auftrag für die Freianlagenplanung erhalten. 

Das Gestaltungskonzept für den neuen Schulhof wurde unter der Maßgabe entwickelt, einen möglichst großen Teil des reichen und teilweise auch alten Baumbestandes zu erhalten. In Anbetracht des Flächenbedarfes für Pausenhof und Sportplätze war dies eine Herausforderung, die letztlich durch einen leicht veränderten Flächenzuschnitt des Schulgeländes gemeistert wurde: das Straßen- und Grünflächenamt war bereit, Teile einer öffentlichen Grünfläche dem Schulgelände zuzuschlagen – bezirksinterne Amtshilfe für das Schul- und Sportamt.

Unser Anspruch war es, den grünen und baumüberstandenen Charakter der Freifläche zu erhalten. Bestandsbäume wurden in grüne Inseln eingebettet und schaffen ein abwechslungsreiches Raumgefüge. 

Die grünen Inseln im Hof dienen zudem als Versickerungsflächen. Es sollte möglichst wenig Regenwasser der Kanalisation zugeführt werden, auch wenn das Baugrundgutachten schlechte Versickerungswerte ergab. Daher wurde ein versickerungsfähiges Pflaster mit großem Fugenanteil gewählt. Das von den Flächen abfließende Wasser wird, wo immer machbar, in große, flache Mulden geleitet und kann dort als Flächenversickerung langsam versickern bzw. verdunsten. 

Durch die Anordnung der grünen Inseln und auch durch die Nutzung der Freifläche hinter der Sporthalle entstehen auf dem Schulhof spannungsvolle Räume in unterschiedlicher Größe, welche eine individuelle Aneignung durch die Schüler*innen ermöglichen: Eine große, zusammenhängende Hoffläche zum Rennen und Toben gibt es ebenso wie einen Rundkurs rund um die Sporthalle. Zwischen den grünen Inseln öffnen sich Nischen und Räume für ruhigere, zurückgezogenere Aktivitäten. Betonmauern entlang der Ränder der Inseln können zum Sitzen, aber ebenso zum Klettern, Balancieren etc. genutzt werden.

Die befestigten Flächen werden von den Kindern auch gerne zum Befahren mit allerlei Fuhrpark genutzt, welcher während der Pausen und des Hortbetriebes entliehen werden kann.

Um für die Kinder von der ersten bis zu sechsten Klasse gleichermaßen interessante Spielangebote machen zu können, wurden zwei Spielplatzflächen in den Pausenhof eingefügt. Ein Kletterspielplatz lädt die etwas älteren Kinder zum Spielen ein, eine etwas niedrigere Seilnetzanlage ist auch für jüngere Kinder bespielbar. 

Die Spielgeräte sind hauptsächlich aus Robinienkernholz hergestellt und in blaugrünen Farbtönen lasiert, die sich sehr gut in das natürliche Umfeld der alten Bestandsbäume einfügen. Die große Kletterspielanlage bietet mit verschiedenen hoch gelagerten Robinienholzbalken Herausforderungen zum Balancieren. Diese wechseln sich ab mit eingestreuten Plattformen, Netzen, Seilen und Hangelringen. Eine Kletter- bzw. Rutschstange wurde ebenso wie eine Rutsche so in die Spielstrecke integriert, dass abwechslungsreiche und vielfältige Spielabläufe möglich sind.

Die kleineren Kinder balancieren in geringerer Höhe und mit zusätzlichen Halteseilen. Sie werden zudem durch einen kleinen Stelzenparcours und eine in die Spielanlage integrierte Kletterwand herausgefordert. Besonders beliebt bei den Kleineren ist auch der Wackelsalamander, auf dem mehrere Kinder gleichzeitig Platz haben und der damit zum bewegten Gemeinschaftsspiel einlädt.

Alle Spielgeräte wurden individuell für die Anlage entwickelt und angefertigt. Das Spielangebot auf dem Hof ist auch deshalb ganz besonders wichtig, weil die meisten Kinder nach der Schule den Hort besuchen und die Freifläche auch den Nachmittag über zum Spielen nutzen.

Das Kleinspielfeld mit EPDM-Belag ist während der Pausen und auch bei Hortbetrieb nutzbar, der Zaun zum Schulhof hin offen. Um diverse Ballsportarten auf dem Feld zu ermöglichen, gibt es Bodenmarkierungen in unterschiedlichen Farben für verschiedene Sportarten. Bodenhülsen mit EPDM-Abdeckungen ermöglichen das Aufstellen z.B. von Volleyballpfosten und anderen Ausstattungselementen.

Die angrenzende Laufbahn mündet in einer ungewöhnlichen Sprunggrube: anstatt in die klassische, rechteckige Weitsprunggrube springt man hier in eine weitere, sandgefüllte Spielinsel, in der sich (natürlich mit ausreichendem Sicherheitsabstand) auch eine große Schaukel befindet. So können Flächen multifunktional genutzt werden, es wird kein Platz verschenkt. Multifunktional nutzbare, multicodierte Flächen sind das Gebot der Stunde, in einer Zeit, in der Freiräume in der Stadt immer knapper werden und unbedingt nachhaltig genutzt werden müssen.

Einige Elemente aus der ursprünglichen Schulhofgestaltung konnten in die neue Zeit gerettet werden: so wurden einige Findlinge gesichert und zu einem Steinkreis/Treffpunkt auf einer großzügigen Wiesenfläche neu gesetzt. In diesem Bereich besteht zukünftig auch die Möglichkeit, einen Schulgarten zu realisieren. 

Da in Zukunft viele Kinder mit dem Fahrrad zur Schule kommen werden – das Einzugsgebiet ist im großflächigen Bezirk Lichtenberg entsprechend geschnitten – wurden nahe dem Haupteingang eine Vielzahl von Fahrradanlehnbügeln unter den vorhandenen Bäumen integriert.  Um die Baumwurzeln zu schonen, ist in diesem Bereich eine Fläche aus Schotterrasen vorgesehen.

Der neu gestaltete Vorplatz - von der Wartiner Straße kommend - wird als großzügige offene Freifläche gestaltet. Das bestehende Baumraster aus Platanen überschirmt die Platzfläche. Sie führt zum neuen Haupteingang der Schule, der durch einen Anbau mit breiter Freitreppe und barrierefreie Rampe gestaltet ist. Das für die befestigten Flächen verwendete Pflaster ist unregelmäßig geformt, und folgt gestalterisch formal dem Konzept der Inseln folgt. Neben dem Erhalt der alten Bäume wurden auch sechs neue Bäume gepflanzt.

In den Randbereichen des Schulgeländes wurden Strauchpflanzungen zur Abschirmung und Raumbildung eingesetzt. Die zentralen Grünflächen des Schulhofes werden größtenteils als Rasenflächen hergestellt, die den Kindern ebenfalls als Spielflächen zur Verfügung stehen. Die südlich an das Kleinspielfeld anschließende Spielfläche soll bei Bedarf auch als Sport -und Gymnastikwiese genutzt werden.

hochC arbeitet unter dem Leitbild „Gemeinsam.Nachhaltig.Gestalten“. Um nachhaltige Arbeitskriterien zeitsparend und kreativ in Planungsprozesse zu integrieren, hat hochC kürzlich ein objektorientiertes Nachhaltigkeitswerkzeug entwickelt: touchstone (zu Deutsch Prüfstein). Damit wird den sonst eher formal und tabellarisch angewendeten Bewertungssystemen ein kurzweiliges und visuell ansprechenden Arbeitswerkzeug an die Seite gestellt, sozusagen als niederschwellige Ergänzung zu BNB, DGNB, LEED oder BREEAM. Magnetische Spielsteine (touchstones bzw. Prüfsteine) mit Nachhaltigkeitssymbolen aus den Nachhaltigkeitssäulen Ökologie, Ökonomie und Soziales sowie Prozessqualität und technische Qualität werden thematisch auf dem „Spielfeld“ des jeweiligen Projektlageplans platziert. Alle Aspekte der Nachhaltigkeit werden so gezielt betrachtet und nicht Berücksichtigtes diskutiert: Können z.B: die Prüfsteine „Wiederverwendung von Baustoffen“, „Mehrfachnutzung“ oder „Barrierefreiheit“ doch noch häufiger auf das Projektspielfeld gesetzt werden? Derzeit arbeiten wir bei hochC mit einem Prototyp dieses Nachhaltigkeitstools, das zukünftig bei allen Projekten von hochC in verschiedenen Leistungsphasen intern und möglichst auch mit Planungsbeteiligten und AuftraggeberInnen Anwendung finden soll. Beim Schulhof Wartiner Straße konnten wir touchstone erst in einer späten Projektphase einsetzen. Einige Nachhaltigkeitsaspekte konnten so noch in die Projektbearbeitung integriert werden, die sonst vermutlich unberücksichtigt geblieben wären.  


Hier geht es zum Podcast: Let´s talk landscape

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