Neue Schule - neues Glück
Wenn es eng wird im eigenen Haus, weil die Familie wächst, ist es Zeit für einen Wohnungswechsel. Besteht gar die Möglichkeit für einen Neubau, umso besser, lassen sich doch so...
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Positionierung einer Schule als zentrales Sport- und Freizeitzentrum für den gesamten Stadtteil: Erweiterung der BG Zehnergasse in Wiener Neustadt durch GABU Heindl Architektur - Schule in Bewegung
Wie hat sich Schule in den letzten Jahrzehnten verändert? Wie haben sich ihre Räume gewandelt? Was für eine Rolle spielen Sport und Bewegung? Diese Fragen bilden einen Hintergrund für die gestalterischen Überlegungen bei der Erweiterung des Bundesgymnasiums Zehnergasse in Wiener Neustadt.
Dem historischen Schulgebäude – erbaut 1962 bis 1964 von Steinfelder/Jaksch Architekten – wurden zwei neue Gebäudeteile hinzugefügt: Schultrakt und Sporttrakt. Dadurch entstanden nicht einfach bloß weitere gleiche Schulräume, sondern verschieden dimensionierte Lern- und Pausenzonen, Sport- und Bewegungsflächen. Die fünf neu entstandenen Außenräume bilden Höfe, bei denen Unterschiedlichkeit groß geschrieben wird: Sie sind unterschiedlich in ihrer Größe, in ihrer landschaftlichen Gestaltung, sowie in ihrer Lautstärke und in ihrer jeweiligen Thematik für den Sportschwerpunkt der Schule – und nicht zuletzt als Kultur- und Sportzentrum für die ganze Nachbarschaft.
Gute Nachbarschaften
Eine Schule kann eben auch ein Zentrum für eine ganze Nachbarschaft sein: Der neue Vorplatz samt barrierefreier Erschließung dient als Eingang für die Abendschule. Die zentral am Lesehof gelegene Bibliothek kann ihre Tore für die Schulen der Umgebung oder auch für den Stadtteil öffnen. Die Südfassade des neuen Schultrakts ist durch ihren tiefen Balkon und durch ihre Terrasse für Außenveranstaltungen prädestiniert. Das gilt in gleicher Weise für die Sportfreianlagen, für die Kletter- und Außensportmöglichkeiten im Pergola-Hof und für die Terrassenanlage beim Sporttrakt, die als Tribüne nutzbar ist. Dieser neue Sporttrakt wurde in Kofinanzierung zwischen Land und Bund gebaut. Damit bekommt nun etwas eine offizielle Form, das die DirektorInnen der beiden Schulen schon einige Zeit lang informell betrieben haben: nämlich eine kollektive Nutzung der Sportflächen durch beide benachbarten Schulen, durch Bundesgymnasium und Landesberufsschule. Ganz im Sinne guter Nachbarschaft.
Im Schatten lernen, in der Sonne sitzen, rund um die Schule laufen
Die Architektur unterstützt das Lehr- und Lernkonzept der Schule: soviel körperliche Bewegung wie möglich, vor allem außerhalb des Sportunterrichts. Die SchülerInnen legen selbst Hand an, um ihre Schulräume zu verändern. Die Räume stehen auch zur Aneignung frei. Lernen ist eben überall möglich, ob im Sitzen oder im Liegen: Im Lesehof gibt es dafür sonnige und schattige Holzterrassen-Decks. Es finden sich Lerninseln in den Aufenthalts- und Pausenräumen und am Sonnenbalkon, der sowohl Ruhe- als auch Kommunikationszonen bietet und für Nachmittagsunterricht oder für wartende FahrschülerInnen Platz bereithält. Die Dachterrasse im zweiten Stock ist als “Frei-Luft-Raum” auch für Lehre und Lernen im Freien da. Jedem Schulcluster ist im Süden ein großzügiger Außenbereich vorgelagert: Da vertieft sich die Fassade, schafft Balkone und überdachte Terrassenbereiche, die das Lernen im fließenden Übergang zwischen Außen und Innen möglich machen.
So ein Wechselspiel zwischen Außen und Innen ist auch eine gestalterische Leitidee der Nordfassaden: In der nach Norden gerichteten Zone der Unterrichtsräume schieben sich Fensternischen weit nach außen und bilden ungewöhnliche Zusatz-Räume im Inneren.
Mitsprache an der Gestaltung
Die Planung zur Erweiterung ihrer Schule wurde in intensivem Austausch mit denen entwickelt, die die Schule am besten kennen: Das sind die circa 1000 SchülerInnen und circa 100 LehrerInnen. Aus den partizipativen Workshops und aus Studien zu neueren Schulkonzepten konnten Ideen in die Umsetzung einfließen; so etwas ist nur mit interessierten NutzerInnen, mit einem guten Projektteam und vor allem mit einer aufgeschlossenen und engagierten Bauherrenschaft möglich.
Alles bewegt sich
Die Höfe sind so wichtig wie die Gebäudeteile: Der Vorplatz für alle ist eine Art Scharnier zur Stadt; daneben liegt der öffentlich zugängliche, aber wesentlich intimere Vorgarten. Der "Lesehof" bietet neben dem bestehenden Pausenhof nun ein zweites Kernstück für die Pausen im Freien. Direkt neben der neuen Bibliothek gelegen, ist er mit mehreren Holzterrassen, Rasenflächen und Bäumen ausgestattet – optimal für einen ruhigen, kontemplativen Aufenthalt. Der Lesehof kann aber auch als Bühnensituation dienen, für Outdoor-Veranstaltungen der Schule wie auch der Nachbarschaft. Für die Hügellandschaft im Nachmittagshof wurde der Erd-Aushub für die Neubauten wiederverwendet: So wurde mit einfachen Mitteln eine hügelige Wiesenlandschaft gestaltet, die auch beinah wartungsfrei ist. Dieser Hof wird gern für Ausdauer-Training genutzt.
Der Pergola-Hof ist das Herzstück des neuen Sporttrakts; er besetzt das Zentrum der Sportanlagen und bildet eine Art von Außen-Sportraum. Die zweigeschossige Pergola spendet nicht nur Schatten: Ausgestattet mit Ösen für Klettersicherungen, ist sie auch die Hülle eines Außen-Klettergartens. Und sie ist ein beliebter Fußballspielort.
Highline im Pergolahof
Der Pergola-Hof, ein „Außen-Sport-Raum“, bildet das Kernstück der neuen Freisportanlagen. Mit einem robusten Kunststoffbelag ausgestattet, bildet der Boden einen sanften Übergang zur Wiese. Dieser Hartplatz ist von einer Pergola umhüllt, deren Stahlrahmen auch fix eingebaute Sonnenschutzpaneele tragen, die den Sporttrakt beschatten. Die Pergola ist aber nicht nur Gestaltungselement und Schattenspender: Durch eine Vielzahl von Sicherungsösen bietet sie eben auch Potenzial für einen Parcours verschiedenster Kletter- und Balance-Übungen. Eine bodennahe Slackline wurde für Sportunterricht und Pausengestaltung fix installiert. Und für schwindelfreie Schüler und Schülerinnen des Sportschwerpunkts des BG Zehnergasse wurde eine Highline in luftiger Höhe an der Pergola verankert. Dank der in die Pergola mitkonzipierten Ösen ist eine unkomplizierte Seilsicherung von oben möglich. Der Pergola-Hof steht Schülerinnen und Schülern durchgehend zur Verfügung, ebenso wie den nicht-schulischen Sportvereinen, die die Sportsäle und das Sportfeld nutzen.
Aus der Sporthalle direkt auf die Wiese
Zusätzlich zu den bestehenden zwei Turnsälen wurde eine neue (dritte) Sporthalle direkt neben der schon erwähnten, zentral zwischen den Schulen gelegenen Sportwiese errichtet. Diese Halle erweitert das räumliche Angebot nicht nur für den Sportunterricht, sondern auch für diverse sportliche Zwischenzeitgestaltungen beider Schulen.
Die großzügig verglaste südwestseitige Längsfassade verbindet die Halle mit der Wiese: Sie eröffnet nicht nur einen tollen Ausblick auf die Wiese, sondern auch einen direkten Ausgang von der Halle. Gemeinsam mit dem Fensterband im Nordosten wird dadurch der Turnsaal tagsüber auch ausreichend belichtet. Durch eine Bande abgetrennt vom Spielfeld gibt es auch einen Zuschauerbereich, von dem aus man von der Halle auf die vorgelagerte überdachte Terrasse und weiter auf die Sportfreianlagen kommt. Rund um die Sporthalle bietet entsprechender Bodenbelag Schutz vor Verschmutzung der Sportschuhe beim Wechsel von draußen nach drinnen. Die Terrasse vor dem Turnsaal ist zugleich Tribüne für das Sportfeld; ihre Überdachung dient auch als Schutz vor Blendung und Überwärmung im Turnsaal.
Alle bewegen sich
Für Bewegungs- und Sportaktivitäten, die von der klassischen Turnsaalnutzung abweichen, gibt es darüber hinaus noch eine Reihe nicht-normierter Sporträume: So werden neben den Normturnsälen auch zwei nutzungsoffene Bewegungsbereiche angeboten. Die frei zugängliche Zone im Obergeschoß wird vor allem für Tanz und Gymnastik verwendet, kann aber genauso gut für Präsentationen oder Ausstellungen genutzt werden – und aufgrund ihrer dezentralen ruhigen Lage nicht zuletzt auch als Rückzugsinsel. SchülerInnen werden hier selbst zu TrainerInnen und PädagogInnen.
Von hier aus gelangt man auch direkt in die Räume der SportlehrerInnen, die neben den üblichen Garderoben und Sanitärräumen auch einen kleinen Bereich für Leistungsdiagnostik enthalten. Der zweite, räumlich analoge Bereich im Erdgeschoß wurde mittels Privat-Sponsoring mit Krafttrainingsgeräten ausgestattet und steht SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern wochentags bis 22 Uhr als Fitnessraum zur Verfügung. Direktor Mag. Dr. Schwarz, selbst ein ausgebildeter Sportpädagoge, wurde in den Planungsprozess intensiv mit einbezogen und misst solchen nicht-normierten Bereichen für Sport- und Bewegung große Bedeutung bei.
Fotos: GABU Heindl Architektur, Fotografin Lisa Rastl