Neue Schule - neues Glück
Wenn es eng wird im eigenen Haus, weil die Familie wächst, ist es Zeit für einen Wohnungswechsel. Besteht gar die Möglichkeit für einen Neubau, umso besser, lassen sich doch so...
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Wie kommt die Burgschule zu ihrem Namen, obwohl weit und breit keine Burg vorhanden ist? Diese Frage stellte sich die Landschaftsarchitektin Verena Dörhöfer, als sie den Planungsauftrag zur Neugestaltung des Schulhofes der Grundschule erhielt. Nach einiger Recherche entdeckte sie, dass es sehr wohl an genau dieser Stelle mal eine Burg gab. Anfang des 13.Jahrhunderts wurde an selber Stelle die „Laurenziburg“ errichtet. Sie diente zunächst der Verteidigung und Kontrolle der mainzisch-pfälzischen Grenze, demonstrierte kurmainzische Macht und hatte administrative Bedeutung.
Von der Form her bestand sie ursprünglich aus einem von Wall und Graben umgebenen Vierturmkastell, welches über eine Zugbrücke erreicht werden konnte. Nach kriegerischen Auseinandersetzungen im 14. Jahrhundert erweiterte und befestigte man die Anlage, im 16. Jahrhundert wurde sie schließlich zur Adelsresidenz. Kriege, Pest, Hungersnöte und mangelnde Finanzen hinterließen ihre Spuren. Es gab jedoch auch ruhige Blütezeiten.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts fiel ein Teil der Burg den napoleonischen Straßenbauplänen zum Opfer, die eine direkte Verbindung zwischen Mainz und Paris vorsahen. Die verbliebenen Gebäudeteile wurden tatsächlich bereits damals zur Schule umgebaut. Erst 1957 wurden auch sie abgerissen, um dem Neubau der jetzigen Burgschule Platz zu machen. Der damalige Zeitgeist ließ eine Erhaltung der historischen Substanz leider nicht zu. Es entstand ein Schulbau, der typisch für die 1950er/60er Jahre war, mit einem übersichtlichen Hof aus geteerten und gepflasterten Flächen mit ordentlich eingebundenen Bäumen. Später kamen ein paar Spielgeräte hinzu.
Im 1. Halbjahr 2018 begannen die Vorbereitungen und Planungen für eine Grundsanierung des Schulhofs. Mit der Umgestaltung des Schulhofes sollten neue Spielmöglichkeiten für die über 400 Kinder der Grundschule Nieder-Olm geschaffen werden. Das Konzept wurde mit den Kindern, den Eltern, dem Schulelternbeirat sowie der Lehrerschaft abgestimmt. Einige wenige Spielgeräte, wie ein Raumnetz, Reckstangen und die Tischtennisplatte sollten wieder verwendet, der Baumbestand und das Sitzrondell erhalten werden. Gewünscht waren aber viel mehr Kletter- und Balanciermöglichkeiten, eine große Rutsche, ein Trampolin, weitere Reckstangen, Ruhezonen und Rückzugsbereiche, aber auch viel Platz für freies Spiel.
Abenteuer- /Aktiv-Bereich
Die Idee der Vierturm-Burg mit Wall, Graben und Zugbrücke nahm die Planerin in ihr Konzept auf. Es sollte eine Konstruktion aus Robinienholz und Mauerwerk werden. Für die Umsetzung konnte Verena Dörhöfer die SIK-Holzgestaltungs GmbH gewinnen.
Fachberaterin Ulrike Gebauer begeisterte sich für die Idee und setzte sie gemeinsam mit den firmeninternen Konstrukteuren erfolgreich um. Die kompakte Spielburg steht auf vier Beton-Ecken, die mit Bruchsteinmauerwerk verkleidet sind. Ein umlaufender Gang mit Zinnen zwischen den Türmen bietet Ausblicke in alle Richtungen. Verstecke, diverse Auf-und Abstiegsmöglichkeiten, ein Seillabyrinth, mittig ein großes Liegenetz und eine große gebogene Muldenrutsche beinhalten einen hohen Spielwert. Hier kann man seine Fähigkeiten und Muskeln stärken, Motorik und Koordination trainieren, sich mit Teamarbeit gegenseitig unterstützen und seine Fantasie in Rollenspielen ausleben. Die Zugbrücke wurde nur mit zwei schrägen Seilen angedeutet, Wall und Graben sind im umlaufenden farbigen EPDM-Belag erkennbar. Das Trampolin ist in diesen integriert.
Einen weiteren Bereich für Spiel, Bewegung und Koordination bildet die zweite Insel mit synthetischem Fallschutzbelag unter Bäumen. Ergänzend zum wieder eingebauten Raumnetz bieten ein Balancierparcours und zahlreiche Findlinge Gelegenheit zum Ausprobieren der eigenen Fähigkeiten, aber auch Platz für Kommunikation und Rückzug.
Sport-Bereich
Große Freiflächen wurden bewusst eingeplant, um diversen Ballspielen Raum zu geben. Bekanntlich ist es ja gerade im Schulalltag wichtig, seine Stimmungen austoben zu können, sich in einer Gruppe zu behaupten und nach Regeln zu spielen. Zusätzlich stehen hier auch die Tischtennisplatte und mobile Spielgeräte zur Verfügung.
Kommunikations-Bereiche
Farbige Sitzpodeste unter den Bäumen, Sitzsteine und das erhaltene Sitzrondell laden zu Austausch und Begegnung ein. Gleichzeitig dienen sie im Zusammenhang mit den Freiflächen als Kulisse für Schulveranstaltungen und Aufführungen.
Ein etwas abgetrennter Teil des Schulhofs dient zusätzlich als Rückzugsort. Hier ist Platz für Kreativspiele ohne bauliche Vorgaben, wie z.B. aufgemalte Hüpfspiele.
Naturnaher Bereich (Optionsfläche)
Abgetrennt durch ein kleines Tor liegt auf einer tieferen Ebene der Bereich für die Naturerlebnispädagogik. Im kommenden Jahr soll hier ein Schulgarten angelegt werden, in dem die Kinder in Gemeinschaft Natur erleben und beleben können, sich konzentrieren und Zusammenhänge erkennen lernen. Bisher dienen Sitzquader und ein Lümmel-Netz als zusätzliche Rückzugsnischen.
Fazit
Am 13. April 2019 wurde der umgestaltete Schulhof feierlich eingeweiht, natürlich mit einem mittelalterlichen Spektaculum. Selbstgestaltete Wappen und ein eigens gedichtetes Burglied wurden präsentiert, Ritterspiele, Bücher binden, mit Federkielen schreiben, Musikinstrumente herstellen, mittelalterliche Brett- und Glücksspiele, verschiedene Basteleien und Ausstellungen mit „Kunsthandwerk“, mit „Burgbaukunst“, Wappen, Schildern, Fensterbildern und Gemälden sorgten für kurzweilige Abwechslung. Natürlich fehlten auch die kulinarischen Genüsse nicht, ebenso wenig wie Musik und Tanzdarbietungen, sowie Märchenerzählungen.
„Die Probe aufs Exempel hat das neue Außengelände schon länger bestanden. Denn das Areal zum Spielen und Verweilen wird bereits seit seiner Fertigstellung im Herbst 2018 super angenommen“, sagte Edgar Jäckle, Rektor der Schule, bei der Einweihungsfeier.
Stephanie Heieck, Regierungsdirektorin der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Neustadt (ADD), erläuterte in ihrem Grußwort, dass „Lernen und Spielen in engen Zusammenhang stehen“ und „viele wichtige Kompetenzen durch Gemeinschaft und Bewegung erworben werden“. 70 Prozent der Grundschüler kämen heute nicht mehr auf die erforderlichen 60 Minuten Bewegungszeit, sagte Stephanie Heieck, da wäre ein solch gut strukturiertes Außengelände doch optimal.
Auftraggeber: Verbandsgemeinde Nieder-Olm
Bausumme: ca. 275.000 €
Bauzeit: Juni-Oktober 2018
Weitere Informationen: www.doerhoefer-planung.de