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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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17.02.2021 - Ausgabe: 1/2021

SCHULFREIRAUM - mehr Bewegung für Schulen und Kitas

Von Karin Schwarz-Viechtbauer (Österreichisches Institut für Schul- und Sportstättenbau (ÖISS))

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© ÖISS

Schulhöfe und Schulgärten waren einmal; die Bezeichnung „Schulfreiraum“ hat diese nicht nur sprachlich, sondern vor allem auch in der ganzheitlichen Betrachtungsweise abgelöst. Der Schulfreiraum ist ein Sammelbegriff, unter dem nicht nur Schulsportanlagen und generell Freiräume auf gewachsenem Boden, sondern auch Schulvorplätze inkl. Erschließungen, Terrassen, Balkone und Flachdächer sowie Abstellplätze und Flächen für die Ver- und Entsorgung zusammengefasst werden. Damit wird auf ein möglichst großes Angebot an unterschiedlich nutzbaren Freiflächen für SchülerInnen und Schulpersonal im Rahmen des Unterrichts und in der schulischen Freizeit, zunehmend aber auch für die Nachbarschaft, abgezielt. Weiters steht die kombinierte Begrifflichkeit „Schulfreiraum – Freiraum Schule“ für die Wechselwirkungen zwischen dem physischen Freiraum und dem Freiraum in den Köpfen der SchülerInnen und PädagogInnen, die das „Hinausgehen“ aus dem Schulgebäude einerseits benötigen und anderseits bewirken. 

 

Akteure in Österreich

In Österreich wird dieses Thema maßgeblich durch das ÖISS – das Österreichische Institut für Schul- und Sportstättenbau – und seinen interdisziplinär besetzen Arbeitskreis „Schulfreiräume“ , der heuer sein 20-jähriges Jubiläum feiert, getragen und vorangebracht. Das ÖISS ist eine Bundesstiftung, die seit 1964 als Kompetenzzentrum für Planung, Bau & Betrieb von Bildungseinrichtungen sowie Sport- und Bewegungsräumen wirkt, mehr Infos unter www.oeiss.org. 

Zentrales Ziel des Arbeitskreises war und ist es, den Freiraum von Schulen als wichtiges Thema zu positionieren; dafür wurden zahlreiche Schulen beraten, breit geforscht und publiziert sowie Veranstaltungen organisiert. 

 

Good Practice als Motivation 

Eine wirksame Errungenschaft des Arbeitskreises ist die eigens eingerichtete Homepage www.schulfreiraum.com, auf der nicht nur Informationen, Kontakte und Fachliteratur zu finden sind, sondern auch zahlreiche Good-Practice-Beispiele aus ganz Österreich als Inspiration, Anreiz und Mutmacher für Folgeprojekte ausführlich dokumentiert werden. 

Nach umfangreichen Evaluierungen im Rahmen von Masterarbeiten an der Universität für Bodenkultur in Wien erschien diese Good-Practice Seite im November 2019 in völlig neuem Gewand, mit aktualisierten Inhalten und nutzerfreundlichem responsivem Design.

 

Bewegungsförderung eingebettet in Multifunktionalität

Das ÖISS und der Arbeitskreis positionieren den Schulfreiraum ausdrücklich als wichtigen Sport- und Bewegungsraum, der einen wesentlichen Beitrag zur gesunden Entwicklung der Kinder und Jugendlichen leisten soll. Dabei wird argumentiert, dass kognitive, motorische und psychosoziale Kompetenzen über Bewegung erworben werden und diese die Selbstregulation fördert. Bewegung bedeutet demnach einen aktiven Beitrag, um mit Gefahren umgehen zu lernen und lässt Kinder und Jugendliche in ihren Aktivitäten sicherer werden. 

In Zusammenhang mit immer stärker werdenden Sicherheitsgedanken und der wachsenden Angst vor Haftungsfragen und Klagen kann dieser Aspekt nicht genug betont werden. 

Es ist wichtig, das erforderliche Maß an Sicherheit zu gewährleisten, gleichzeitig aber auch Situationen anzubieten, die „Risky Play“ ermöglichen, denn nur Risikobewusstsein führt zu einer gesunden Selbsteinschätzung und Körperwahrnehmung. In diesem Spannungsfeld gilt es u.a. auch, die PädagogInnen in der Aus- und Fortbildung zu stärken und ermutigen. 

Der Schulfreiraum soll von möglichst vielen Personen und kleineren Gruppen flexibel und gleichzeitig bespielt werden können. Daher macht es Sinn, hier von genormten Sportflächen abzuweichen und auf Mehrzweckspielfelder sowie multifunktionale Spiel- und Sportgeräte zu setzen.

Die Bewegungsförderung sollte im Schulfreiraum jedoch keineswegs losgelöst von weiteren wichtigen Aktivitäten des Schulalltags betrachtet werden. Die Gestaltung soll den Freiraum als Ort des Lernens, des Lehrens, der Begegnung, der Kommunikation, der Erholung, der Bewegung, der Ruhe oder des Feierns gleichermaßen unterstützen. 

 

NutzerInnenbeteiligung und Nachhaltigkeit

Der Schulfreiraum wird als Spielraum für kooperatives Handeln und als Element des sozialen Lernens verstanden. Insbesondere bei Bestandsschulen sollte die Nutzerpartizipation daher sichergestellt werden, beginnend bei der Erfassung von Wünschen und Anforderungen kann sie auch die Umsetzung bewältigbarer Baumaßnahmen umfassen. Das Übernehmen von Verantwortung sowie das Teilen von Rechten und Pflichten werden dadurch geschult. 

Schulfreiräume müssen – wie in Zusammenhang mit Behindertengleichstellung alle öffentlichen Bauwerke – barrierefrei sein. Insbesondere bei Spiel- und Bewegungsbereichen bedingen unterschiedliche Einschränkungen jedoch teilweise widersprüchliche Anforderungen. Daher sollten für die Planung dieser Bereiche die Betroffenen und/oder die Betreuungspersonen mit einbezogen werden. Der gemeinsame Entstehungsprozess unterstützt generell auch eine nachhaltige Nutzung und Pflege des Freiraums, wobei die Entwicklung von Pflege- und Wartungskonzepten bereits im Planungsprozess entsprechende Voraussetzung schafft.

Im Freiraum manifestieren sich die unterschiedlichen Verhaltensweisen von Mädchen und Buben besonders deutlich. Lösungsansätze zur Förderung der Chancengleichheit können in diesem Bereich daher besonders nachhaltig wirken. 

Last but not least bieten Freiräume im Gegensatz zum Hochbau Möglichkeiten für eigene Gestaltungen der Nutzer/innen und zum identitätsstiftenden Hinterlassen von Spuren. Schulfreiräume müssen daher ein für Veränderung und Neuinterpretation geeignetes Areal anbieten. Die geplanten Elemente sollen grundsätzlich eine Weiterentwicklung zulassen.

 

Schulfreiraum als Schüleruniversum und Stadtpartikel[1]

Mit der Überwälzung dieses Zitats auf den Schulfreiraum wird versucht, dessen wachsende Bedeutung für Schule und Schüler/innen, aber auch für die Stadt und die Stadtplanung auch sprachlich festzumachen. Dieser zunehmende Stellenwert des Schulfreiraums steht in Zusammenhang mit gesellschaftlichen Entwicklungen. Vermehrt ganztägige Schulformen führen dazu, dass Kinder und Jugendliche mehr Zeit in den Bildungseinrichtungen verbringen, was wiederum einen Wechsel zwischen Aufenthalt im Innen- und im Außenraum erforderlich macht. Aber auch die wachsende Sensibilität für den Bedarf nach Förderung von Gesundheit und Sozialkompetenz sowie motorischen und koordinativen Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen rücken den Schulfreiraum in den Fokus.

In den vergangenen Jahren war die Mehrfachnutzung von Schulfreiräumen, also die zumindest temporäre Öffnung für die Umgebung, nur im ländlichen Raum Österreichs vorstell- und umsetzbar. In kleinen Kommunen und bei vorwiegend halbtägigen Schulformen wurde und wird ein öffentlich zugänglicher Schulfreiraum nachmittags von denselben Kindern genutzt wie vormittags im Rahmen des Schulbesuchs. Eine „Zusammenlegung“ von Schulfreiraum und öffentlichem Spielplatz liegt daher nahe und ermöglicht nicht nur ein Mehr an Fläche, sondern vor allem auch ein umfangreicheres Nutzungsangebot und vermeidet temporäre Leerstände. Analoge Konzepte scheiterten im urbanen Raum lange Zeit an Befürchtungen bezüglich Vandalismus als Folge einer Öffnung für die Nachbarschaft. Gleichzeitig konnte man feststellen, dass aber auch Zäune und Verbote Auslöser von Aggression und Zerstörung sein können. 

Mittlerweile reduzieren wachsende urbane Räume nicht nur die Aktionsräume für Kinder und Jugendliche, sondern erhöhen generell den Druck auf Grund und Boden. Die Mehrfachnutzung der Schulfreiräume im städtischen Raum, die z.B. in Wien nun forciert wird, ist ursprünglich also aus einer Not heraus entstanden, was der positiven Intention und Wirkung jedoch keinen Abbruch tut. 

Das Wiener Konzept sieht für die neuen Bildungscampi in den Stadterweiterungsgebieten eine Teilöffnung der Schulfreiräume vor. Entsprechend robust gestaltete Flächen, z.B. Spielfelder und -käfige, sowie Spiel- und Sportgeräte sollen auch der Umgebung zur Verfügung stehen. Der Zonierung der Schulfreiräume bzgl. Zugänglichkeiten und Robustheit bzw. Sensibilität der Oberflächen kommt daher wachsende Bedeutung zu; auch die Architekturplanung der Gebäude kann und soll dazu einen Beitrag leisten. 

Das Wiener Konzept beinhaltet aber auch die umgekehrte Strategie, nämlich die Nutzbarkeit von öffentlichen Parks für und durch Schulen; soweit möglich wird versucht, neue Standorte von Bildungseinrichtungen mit der Anlage von größeren Parks zu kombinieren, was wiederum der Größe der Gesamtflächen und der Vielfalt an Angeboten zu Gute kommt. 

Die Mehrfachnutzung kann auch im Bestand umgesetzt werden, ist dort aber erschwert, da sie in der ursprünglichen Planung nicht mitgedacht war und daher oft eines organisatorischen Mehraufwandes bedarf. Ein diesbezüglich interessantes Bespiel ist das Ferdinandeum in Graz, wo der Schulfreiraum vorwiegend organisatorisch um die Mitnutzung eines städtischen Platzes und eines benachbarten Gartens eines Priesterseminars erweitert wurde. Als schöner Nebeneffekt ist festzustellen, dass die Schulkinder in der Umgebung sichtbarer werden und die soziale Interaktion im „Grätzl“ gestärkt wird – siehe https://www.oeiss.org/schulfreiraum-best-practice/de/good-practice/vs-ferdinandeum-graz/.

Generell ist festzustellen, dass die Stadtplanung das sektorale Denken vergangener Jahre zunehmend aufgibt und alle Freiräume der öffentlichen Hand als zusammenhängendes Angebot für alle Teile der Bevölkerung verstanden und weiterentwickelt werden; die Schulfreiräume als „Stadtpartikel“ können dazu einen wichtigen Beitrag leisten.  

Vor allem im städtischen Raum spielt auch der klimaregulierende Effekt von Schulfreiräumen eine immer wichtigere Rolle. Wenn sie entsiegelt und begrünt sind, wirken sie effektiv urbanen Hitzeinseln entgegen und ermöglichen eine langsame Niederschlagsversickerung am Grundstück. Gleichzeitig gilt es, die Nutzbarkeit der Schulfreiräumen auch an Hitzetagen zu gewährleisten. Schattenspender – Bäume und bauliche Vorkehrungen für die Zeit des Anwuchses der Vegetation – und Windschutzmaßnahmen in exponierten Lagen (z.B. Terrassen) sind unverzichtbare Bestandteile von erfolgreichen Schulfreiräumen. 

 Ganz aktuell wurde der Schulfreiraum in Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie auch ein wichtiger Zufluchtsort für Sport, Bewegung und soziale Kontakte, die im Schulhaus nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich waren. Gut vorstellbar, dass diese Frischluftkur positiv im Bewusstsein bleibt und sich vielleicht sogar der Unterricht vermehrt ins Freie verlagert.


[1] ursprünglich Walter M. Chramosta, bezogen auf das Schulhaus im Schulbauprogramm 2000 der Stadt Wien 

 


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