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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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17.02.2021 - Ausgabe: 1/2021

Steyrdorfschule – Schulgarten mit Hand, Herz und Hirn

Von Markus Kumpfmüller (DI Kumpfmüller KG, Büro für Landschaftsplanung)

Photo
© Edith Kals

Unter den vielen Schulgärten, die unser Büro in den dreißig Jahren seines Bestehens geplant hat, ragt dieser Schulgarten in vielerlei Hinsicht heraus. Das beginnt schon beim pädagogischen Konzept: Die Steyrdorfschule versteht sich als Integrationsschule und ist stolz darauf, ganz „normale“ Kinder und Kinder mit besonderem Förderbedarf in gemeinsamen Klassen zu unterrichten. Viele ihrer LehrerInnen haben neben ihrer konventionellen Ausbildung verschiedenste zusätzliche Qualifikationen vom Montessori-Diplom bis zum MOVE-Partitioner, vom Sprachheillehrer bis zur Mal- und Gestaltungstherapeutin. Daher überrascht es nicht, dass für die Steyrdorfschule der Garten schon immer eine besonders große Bedeutung gespielt hat.

 

Steyr- die Stadt an den zwei Flüssen

Die Steyrdorfschule liegt in der Stadt Steyr, einer Kleinstadt mit knapp 40.000 EinwohnerInnen im Herzen Österreichs am Zusammenfluss von Enns und Steyr. Für viele gehört sie zu den schönsten Städten Österreichs.

Jedenfalls hat Steyr zwei der interessantesten Schulgärten Österreichs. Das findet zumindest das ÖISS – das Österreichische Institut für Schul- und Sportstättenbau – und hat diese Schulgärten in die Liste der 14 Best Practice Beispiele auf seiner Website aufgenommen - https://www.oeiss.org/schulfreiraum-best-practice/de/informationen/prinzipien/. Das Steyrdorf ist einer der drei historischen Stadtteile, aus denen sich die Stadt im Mittelalter entwickelt hat.

 

Ein besonderer Ort

Eine Besonderheit des Gartens ist seine Lage und seine Form. Die Form ist das, was man im Planerjargon als „Handtuchgarten“ bezeichnet – ein langes schmales Grundstück mit einer Länge von 120 m bei einer Breite von 18 m. Diese Fläche ist im Süden von der Friedhofsmauer des Steyrer Stadtfriedhofs und im Norden von der Fassade des eingeschossigen Schulgebäudes begrenzt. Diese beiden Mauern, zusammen mit einem kurzen Gebäudeschenkel am Ostende des langen Traktes, schaffen eine Atmosphäre der Geborgenheit und Intimität, die für den Schulbetrieb viele Vorteile bietet. Beide Mauern sind gegliedert und aufgelockert, sodass die streng geometrische Form nicht als störend empfunden wird.

 

Der Planungsprozess

Durch die Einrichtung einer zusätzlichen Nachmittagsbetreuungsgruppe stand im Jahr 2014 ein Budget von € 50.000,- für eine zeitgemäße und bewegungsfördernde Umgestaltung des Gartens zur Verfügung. Aus diesem Bruttobetrag mussten sämtliche Maßnahmen inklusive Planung und LehrerInnenbeteiligung bestritten werden. Von Anfang an war klar: Nur bei geschickter Ausnutzung der vorhandenen Stärken, effizienter Planung und Beschränkung auf das wirklich Notwendige könnte ein Maximum an Wertsteigerung im pädagogischen Sinn erzielt werden.

Grundlage unserer Planung war eine gemeinsame Ideenentwicklung und Schwerpunktdefinition mit den interessierten LehrerInnen. Zwei mal zwei Stunden lang haben 10 Personen inklusive Planer den Garten erforscht und die Köpfe zusammengesteckt, bis sie rauchten – zu einer Zeit, als das noch erlaubt war.

Nach Erstellung und gemeinsamem Beschluss der Entwurfsplanung erfolgte die Ausführungsplanung und Ausschreibung der Leistungen. In den Sommerferien wurden die Maßnahmen von drei Fachbetrieben unter unserer Überwachung ausgeführt.

 

Die Erschließung

Das weitläufige Gelände wurde durch einen breiten Weg mit wassergebundener Decke erschlossen, der die intensive Nutzung durch die vielen Kinderfüße gut aushält und gleich nach einem Regen sofort wieder benutzt werden kann – zu Fuß oder auch mit verschiedensten Fahrzeugen. An ihm aufgefädelt wie an einer Perlenkette finden sich viele Einladungen zum Bewegen und Verweilen – ein Beachvolleyballkorb an einem Geräteschuppen, ein Kletterzelt, Hüpfstämme, Balancierstämme, ein stehender dicker Baumstamm eines abgestorbenen Ahorns. Ein Stammstück dieses Baumes, der aus Sicherheitsgründen umgeschnitten werden musste, wurde liegend im Gelände eingebaut und wird langsam Schritt für Schritt von Käfern, Pilzen und anderen Lebewesen abgebaut. Mehrere Generationen von Schulkindern werden ihre Schulkarriere durchlaufen, bis dieser 100 Jahre alte Baum vermodert ist.

 

Wasserspiel

In Steyr ist die Verwendung von Trinkwasser für Schulgärten nicht gestattet. Der neu geschaffene Wasserspielplatz wurde daher mit Regenwasser aus der Dachrinne gespeist. Eine Fläche von ca. 25 m² wurde mit Folie abgedichtet, darauf wurden zwei vorhandene Betonringe und einige Steinfindlinge gestellt und die ganze Mulde mit Rollkies aufgefüllt. Das Regenwasser gelangt über ein Fallrohr zuerst in einen aufgeständerten Holztrog und kann über drei Holzrinnen mit Klappen in den abgedichteten Kieskörper geleitet werden. Eine offene Wasserfläche mit maximal 10cm Tiefe gibt es aus Sicherheitsgründen nur in den beiden Betonringen. Auf der übrigen Fläche müssen die Kinder schon den Kies zur Seite „baggern“, um ans Wasser zu kommen.

  

Hügel

Der Aushub der Wassermulde wurde gleich daneben zu einem sanften Spielhügel mit behindertenfreundlicher Breitrutsche aufgeschüttet. Auf dem Hügel wurde eine heimische Blumenmischung angesät. Zum Wasserspielplatz hin ist der Hügel mit Granitquadern abgegrenzt, die als Sitzstufen genutzt werden können.

 

Klettern und Balancieren

Um die Nutzungsintensität auf das langgestreckte Grundstück besser zu verteilen, wurde am westlichen Ende des langgestreckten Schulgebäudes ein zusätzlicher Ausgang zum Garten geschaffen, der einen neu geschaffenen Bewegungsbereich mit Stufenreck,  Kletterwand und Balancierstamm erschließt.

 

Platz für Kreativität

In den Nischen der alten Friedhofsmauer entstand eine Malwand aus Holzplatten, die durch die auskragenden Bögen vor der Witterung geschützt ist. Die Stufen davor dienen gleichzeitig als Sitzstufen zum Jausnen und als Zuschauerrang für die gegenüberliegende Rasenfläche, die für alle Arten von Bewegungs-, Ball und Laufspielen genutzt werden kann. 

Ein Schatzkästchen der besonderen Art ist die Kreativecke im Südwesten, die ein Werklehrer über Jahre hinweg mit besonderer Liebe geschaffen hat. Hier finden sich im Schatten alter Bäume die Ergebnisse jahrelanger Tätigkeit vieler Schülergenerationen. Immer wieder entsteht hier Neues - das Einzige was hier bestehen bleibt ist der Wandel.

 

Fazit Lehrer / Schüler

Erfahrungsbericht der Schulleiterin, Martina Hochleitner:

„Unglaublich, dass die Neugestaltung schon wieder sechs Jahre her ist. Seitdem ist der Garten noch schöner geworden, die Pflanzen umwuchern den Gartenteich und der Hügel wurde zu einer wunderschönen Blumenwiese, die einmal im Jahr mit der Sense gemäht wird. Die Kinder lieben den Garten. Sie finden viele Verstecke und lieben es mit Naturmaterialien, wie altes Schilf, Holz und Gräser Verstecke und Unterschlüpfe zu bauen. Der Garten wird-vor allem jetzt- intensiv genutzt, in der Kreativecke entstand eine Außenklasse mit einer eigenen Tafel, im Hochbeet wachsen Salat, Tomaten und Kürbisse. Vor allem schwerstbehinderte Kinder spielen gerne am Regenwasserspielplatz, der Gelegenheit gibt, zu schaufeln, zu schütten und mit Wasser zu experimentieren. Durch die vielen unterschiedlichen Bereiche ist es möglich, dass viele verschiedene Klassen und Gruppen den Garten benützen, ohne sich gegenseitig zu stören.“

 

Statement einer Schülerin:

„Im Schulgarten gefällt mir am meisten die Rutsche, die ist so breit, dass ich mit meiner Freundin gemeinsam rutschen kann. Der Schulgarten ist so groß, dass ich mich so gut verstecken kann, dass mich niemand findet. Das Besondere an unserem Schulgarten ist, dass er gleich hinter dem Friedhof ist.“


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