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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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17.02.2021 - Ausgabe: 1/2021

Wilhelm-von-Humboldt-Schule: Zwei Schulhöfe in neuem Gewand

Von Eva Zerjatke (Henningsen Landschaftsarchitekten PartG mbB)

Photo
Christo Libuda (Lichtschwärmer)

„Wir wollen keine Party / Was fällt euch eigentlich ein?“ fragt die Band Deichkind in ihrem Song „Keine Party“. Im dazugehörigen Musikvideo lassen Sie den Schauspieler Lars Eidinger exzessiv im Schulhof der Wilhelm-von-Humboldt-Schule zu den Beats tanzen; ob auf der Parkour-Anlage, dem Sportfeld oder der Einfassung der Sandspielfläche. 

Räume mit Identität inspirierten also nicht nur Schülerinnen und Schüler, sondern auch Schauspieler und Musiker!

 

Die Schule

Die Wilhelm-von-Humboldt-Schule entstand als ein Pilotprojekt. Sie wurde 2008 als erste Gemeinschaftsschule Berlins neu gegründet. Über 820 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 1 bis 10 lernen hier unter einem Dach. Statt aufgeteilt in Klassen wird ihnen in jahrgangs- und fächerübergreifenden Lerngruppen Wissen vermittelt. 

Als gebundene Ganztagsschule bietet die Schule zudem ein breites Freizeit- und Lernangebot im Nachmittagsbereich. Diese Schule ist somit nicht nur eine klassische Bildungseinrichtung, sondern vielmehr ein Treffpunkt für Schulkinder aller Altersstufen des angrenzenden Kiezes.

 

Der Standort

Die Gemeinschaftsschule liegt innerhalb eines dicht bebauten Wohngebietes im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Sie setzt sich aus mehreren Schulgebäuden zusammen, die auf zwei benachbarten Grundstücken stehen.

Da ist zum einen der ehrwürdige, massive Altbau. Mit den Seitenflügeln und dem Vorderhaus wurde er zwischen 1913 und 1916 durch den Berliner Stadtbaurat Ludwig Hoffmann errichtet. Zusammen mit dem innenliegenden Schulhof stehen diese Gebäude als Gesamtanlage unter Denkmalschutz. Der in sich geschlossene Schulhof des Altbaus war bereits Monate vor dem eigentlichen Baubeginn des Schulhofes wegen Baufälligkeit gesperrt worden.

Zum anderen steht da das jüngere Schulgebäude, welches als Vertreter des modernen, sachlichen Baustils der frühen DDR zwischen 1957 bis 1959 erbaut wurden war. Es ist nicht als Baudenkmal geschützt, aber mit seiner auffälligen Glasfassade aus farbigen Mosaiken ist es architekturgeschichtlich wertvoll. 

Hinter dem jüngeren Schulgebäude liegt der größere, hauptsächlich von den jüngeren Kindern genutzte Schulhof. In diesem wurden bei Gründung der Gemeinschaftsschule im Jahr 2008 bereits Teilflächen im Rahmen des IZBB-Programms (Investitionsprogramm Zukunft, Bildung und Betreuung) neugestaltet. Diese mit Fördermitteln angelegten Flächen mussten im Zuge der Neugestaltung erhalten bleiben. 

Durch die Sperrung des kleinen Schulhofes des Altbaus und der unzureichenden Gestaltung des größeren Schulhofes, standen den insgesamt rund 820 Schülerinnen und Schülern vor der Neugestaltung ihrer Schulhöfe nur knapp 3.500 Quadratmeter nutzbare Schulfreiflächen zur Verfügung. Das entsprach, einschließlich der Sportflächen, weniger als 4,5 m² pro Kind. Im Vergleich dazu muss für einen PKW-Stellplatz 12,5 m² Fläche vorgesehen werden.

 

Die Herausforderungen

Die Herausforderungen bei der Planung der Schulaußenanlagen waren somit vielgestaltig. Zum einen wollten wir dem besonderen Schultyp der Gemeinschaftsschule mit den verschiedenen Bildungsangeboten und seinen pädagogischen Ansprüchen gerecht werden. Zum anderen ergaben die heterogenen Gebäudetypologien eher kleinteilige Freiflächen mit schwieriger Raumeinteilung für eine zeitgemäße Gestaltung von Schulfreiflächen. 

Darüber hinaus erfolgten während des Baus der Außenanlagen die Sanierungsarbeiten des Schulgebäudes. Beides fand zudem im laufenden Betrieb bei voller Auslastung der Schule statt.

Weitere Rahmenbedingungen waren durch die einzuhaltenden Auflagen aus dem Denkmalschutz, die Berücksichtigung des Lärmschutzes im Wohngebiet sowie der zwingende Erhalt der mit Fördermitteln hergestellten Teilflächen gegeben. Diese komplexen Zwangspunkte erforderten bei allen Projekt- und Planungsbeteiligten viel Kreativität und Flexibilität.

 

Der Entwurf

Aus all diesen Zwängen versuchten wir dennoch eine Tugend zu machen! Die kleinteilige Heterogenität im Bestand wich großzügiger Präsenz, sprich: aus den vielen, verschiedenen Schulhofteilbereichen im Bestand entwickelten wir zwei markante und individuelle Schulhöfe. 

Wir schärften die Funktionen jedes Schulhofs, indem wir seine Gestaltung und Nutzung klar definierten und zudem klar untereinander unterschieden. Diese gezielte Trennung half im kleineren Altbau-Hof den besonderen Denkmalwert herauszuarbeiten und die vorhandenen Altbäume zu erhalten und zu inszenieren. 

Im größeren Schulhof konnten dadurch die zu erhaltenden IZBB-Teilflächen aufgewertet und fast selbstverständlich integriert werden, denn über das Weiterentwickeln ihrer geschwungenen Formen ergab sich zugleich eine identitätsstiftende und markante neue Schulhofgestaltung.

Eine multifunktionale Belegung von Flächen half zudem, an diesem beengten, innerstädtischen Schulstandort, vielfältige Angebote für Spiel, Sport und Lernen zu schaffen, ohne die Großzügigkeit und Klarheit in der Gestaltung aufzugeben. So dient zum Beispiel das zentrale Kunststoffspielfeld im Hof zugleich als Pausen- und Bewegungsfläche, da auf eine umlaufende Einfriedung zugunsten eines Ballfangzaunes nur an den Stirnseiten, verzichtet wurde. Und die abwechslungsreiche Parkour-Anlage, bestehend aus verschiedenen Balancier- und Klettergeräten, ist zugleich Treffpunkt, Kletterstrecke und Sportgerät in einem. Auch die fensterlose Gebäudefassade wird neu bespielt, indem eine Boulder-Wand mit bunte Klettergriffen platzsparend davorgestellt wurde.

 

Großer Schulhof

Der größere Schulhof liegt zwischen Neubau und Altbau. Er bietet vor allem Spielmöglichkeiten für jüngere Schülerinnen und Schüler. Sein einheitlicher, robuster Belag aus hellem Betonrechteckpflaster ist im gleichen Format wie die bereits vorhandenen und zu erhaltenden Betonsteinbeläge. Die in diesem Belag mittig im Schulhof liegenden, geschwungenen Aktivitätsinseln wurden aus farbigen Belägen aus Asphalt, Kunststoff und Spielsand hergestellt. Die einzelnen Inseln nehmen je Aktivität eine Kletterseil-Anlage, eine Boulder-Wand, eine Parkour-Anlage, eine kleine Bühne oder Bodeneinbau-Trampolinen auf. Hängematten, Tischtennisplatten und verschiedene Sitzmöbel stehen frei in der Fläche und ergänzen die Nutzungen in diesem Hof. Im Zentrum des Hofes befindet sich ein kleines, rechteckiges Kunststoffspielfeld zum Fußball und Basketball spielen. Es ist nur an den Stirnseiten eingezäunt und dient daher sowohl als Pausen- als auch als Sportfläche. Als ergänzende Sportfläche zu diesem Spielfeld wurde für die Schule auf dem direkt angrenzenden Sportplatz zudem eine Weitsprunganlage neu gebaut.

 

Kleiner Schulhof

Den kleineren Innenhof des Altbaus nutzen vorrangig die älteren Schülerinnen und Schüler. In Anlehnung an seine ursprüngliche Gestaltung wurde versucht diesen nahezu quadratischen Hof in zeitgemäßer Form wiederherzustellen. 

Das innere Quadrat des Schulhofes wurde statt mit der ursprünglichen wassergebundenen Wegedecke mit einem gelben, beschichteten Asphaltbelag befestigt, aufgrund der besseren Nutzungseigenschaften und Pflegbarkeit. In den Randbereichen wurde Mosaiksteinpflaster aus Granit als verbindender Rahmen vor die Gebäude gelegt. Direkt am Gebäudesockel des Altbaus rahmt eine niedrige Stauden- und Gräserpflanzung den steinernen Hof. Vor der Pflanzung sind klassische Berliner Sitzbänke mit Holzbelattung aufgestellt. Nach historischem Vorbild wurde ein Rankgerüst an der sanierten Gebäudefassaden angebracht; statt in Holz aber als nachhaltigere Metallkonstruktion.

Auch Rotdorn-Hochstämme wurden in ihrem ursprünglichen Baumraster, ablesbar anhand historischer Lagepläne, neu gepflanzt. Die im Bestand vorhandenen, alten Linden wurden in die neue Gestaltung integriert. Sie waren nicht zur Bauzeit, sondern nachträglich innerhalb von Hochbeeten und außerhalb des historischen Baumrasters gepflanzt wurden. Durch die neuen Einfassungen dieser Linden mit Werkbetonelementen konnten die Bäume erhalten bleiben und zugleich Sitzelemente und Raumteiler im Hof geschaffen werden. 

 

Bepflanzung und Materialität

In beiden Höfen bilden pflegeleichte Fassadenbegrünungen und robuste Strauchpflanzungen einen grünen Rahmen um die befestigten Hofflächen. Hohe Strauchpflanzungen am Grundstücksrand des größeren Hofes sowie Baumneupflanzungen in den befestigten Flächen beider Höfe spenden Schatten, verbessern das Mikroklima und erhöhen die Aufenthaltsqualität. 

Betonstein trifft auf Kunststoff und Asphalt trifft auf Naturstein. In Kombination mit Einfassungen aus Stahl und Beton sowie den farbigen Sitzbänken und Spiel- und Sportgeräten ergeben sich in den Schulfreianlagen harmonische Farb- und Materialspiele.

 

Beteiligungen

Diesen Prozess der Veränderungen in den Schulfreianlagen nicht nur zu beobachten, sondern mit zu gestalten, ist spannend und lehrreich. Mit Unterstützung des Jugendamts Pankow konnten die Schülerinnen und Schüler in mehreren gemeinsamen Workshops ihre Ideen für ihre Schulhöfe zeichnen, beschreiben oder anderweitig erläutern. Durch deren Engagement kam eine Vielzahl von Wünschen und Vorstellungen zu den Schulhöfen zusammen, die uns Planer zugleich herausforderten wie auch weiterhalfen. So schlugen die Kinder zum Teil sehr konkrete Spiel- und Bewegungsangebote vor, die wir gerne in die Planung aufnahmen. Die Ergebnisse der Beteiligung stimmten wir abschließend mit allen Beteiligten, also sowohl mit den zuständigen Ämtern, als auch mit den Schülerinnen und Schülern ab. 

Aus dieser Beteiligung entwickelte sich außerdem ein erfolgreiches Schülerpraktikum, bei dem ein interessierter Schüler half die Parkour-Anlage zu entwickeln, denn aufgrund von Lärmschutzbedenken konnte die ursprünglich gewünschte Skate-Anlage nicht verwirklicht werden. Hier zeigten sich sowohl die Grenzen der Partizipation von Nutzerinnen und Nutzern als auch die Möglichkeiten der produktiven Suche nach Alternativen. Somit funktioniert Beteiligung immer auch als Nachwuchsförderung!

 

Identifikation

Nach der Fertigstellung der Schulfreianlagen erreichten uns mehrere Dankesschreiben der Schule. Diesen Schreiben lagen zudem liebevolle Zeichnungen der Schülerinnen und Schüler von ihren Schulhöfen bei. Solch ein nettes Dankeschön möge nicht nur uns, sondern alle an solch einem Projekt Beteiligte motivieren, sich weiterhin für die Schaffung inspirierender Orte für Schülerinnen und Schüler (und Schauspieler und Musiker) einzubringen!

 


Fakten zum Projekt:

Bauherr:        Bezirksamt Pankow, Straßen- und Grünflächenamt 

Leistung:       Objektplanung, Leistungsphase 1-9 

Förderung:    Städtebaulicher Denkmalschutz

Leistungszeit:           2015 - 2018 

Bausumme:  1 Mio. Euro 

Fläche:          5.000 m² 

Landschaftsarchitekturbüro:

Eva Zerjatke · Knut Honsell · Jens Henningsen

mail: info@henningsen-berlin.de

 

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