Neue Schule - neues Glück
Wenn es eng wird im eigenen Haus, weil die Familie wächst, ist es Zeit für einen Wohnungswechsel. Besteht gar die Möglichkeit für einen Neubau, umso besser, lassen sich doch so...
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„Die große Bedeutung, die der landschaftlichen Umgebung des Schulhauses zukommt, wurde während Jahrzehnten verkannt und findet auch heute noch nicht überall die ihr zukommende Beachtung. In völliger Verkennung der Naturwerte wird das Areal mit Asphalt, Steinplatten oder Kies belegt oder in einem öden, kaum bearbeiteten Zustand belassen.“ So beschreibt Architekt Alfred Roth den Stellenwert des Schulhofs im Standard-Werk Das Neue Schulhaus von 1950.
Wo stehen wir heute mit der Forderung nach einem natürlichen oder naturnahen Schulhof? Welche Anforderungen gab es damals und heute an den Schulhof? Einige exemplarische Gestaltungen zeigen wie diese umsetzbar sind.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Bedarf an neuen Schulbauten enorm; sie wurden eine der wichtigsten öffentlichen Bauaufgaben. In der eingangs erwähnten Publikation definiert Architekt Roth die Komponenten des modernen Schulhauses nach Vorbildern aus den USA, England und Skandinavien und propagiert die Schule als lichtdurchflutetes, freundliches und offenes Gebäude. Roth beschreibt in einem längeren Abschnitt auch die drei Funktionen des Schulhofs - die physiologisch-regenerative, die unterrichtende und die ästhetische:
„Die erste und wichtigste dieser Funktionen, die physiologisch-regenerative, entspricht der heute als selbstverständlich erkannten Notwendigkeit, dem Kinde während der Schulzeit den Aufenthalt in der freien Natur so oft und so lang als nur möglich zu gestatten. Tummeln, Spielen und Unterrichten im Freien sind für sein körperliches, geistiges und seelisches Wachstum von grundlegender Bedeutung. Bäume und Pflanzen erneuern, würzen und kühlen die Luft, halten den Staub ab und schützen gegen Wind, Lärm und Sonnenblendung. [...].
Die zweite unterrichtende Funktion des Grünraumes der Schule bildet die unmittelbare Grundlage für die Naturanschauung im Allgemeinen und die Naturkunde im Besonderen. Daher soll die Umgebung des Schulhauses einem Naturpark gleichen. Die letzte, schmückende Funktion der Umgebung dient nicht nur der ästhetischen Erziehung des Kindes, sondern kommt auch dem Schulhausbau zugute. Das frische Grün und die bunten Farben der Blumen lassen seine hellen Wandpartien und geometrischen Formen in voller Reinheit zur Geltung kommen [...] Architekt und Gartengestalter sollen eng zusammenarbeiten und zwar nicht erst dann, wenn der Bau schon beinahe vollendet ist.“ (A. Roth, The New School, Das Neue Schulhaus, La Nouvelle Ecole, Ausgabe 1957, S. 41; 43)
Die Ausführungen von Alfred Roth, einem bedeutenden Exponenten des Neuen Bauens, wirken bis heute zeitgemäß und modern. Der Schulhof war damals, in den 1950er Jahren – und teilweise bis heute - weit entfernt, diese Rollen einzunehmen. Üblicherweise bestand er aus Klettergerüsten für den Turnunterricht auf einem asphaltierten Platz. Schmückende Skulpturen waren eine ästhetische Bereicherung, ohne dass sich dadurch die Spielsituation verbesserte. Jedoch hatte die Stadt damals noch nicht die gleiche Bebauungsdichte wie heute, die Motorisierung des Verkehrs stand erst am Anfang. Daher gab es für Kinder noch genügend Freiräume aller Art. Erst im Laufe der 1960er Jahre wurde das Kind aus dem öffentlichen Raum verdrängt und der Schulhof musste neue Aufgaben übernehmen und Naturersatz bieten. In den 1970er Jahren kam die Naturgartenbewegung auf, die auch der Schulhofplanung die dringend nötigen, neuen Impulse gab.
Alex Oberholzer und Lore Lässer, Pioniere der Naturgartenbewegung in den 1970er Jahren, raten zum Beispiel, das Gelände zu modellieren und mit Gehölzen verschiedene Räume zu schaffen. Die Anlage soll also reich gegliedert werden und nicht ein monolithischer, einheitlicher, flacher Raum sein. Oberholzer/Lässer fordern, dass die Schulanlage auch für den Unterricht inspirierend sein soll. Turnen und Exerzieren fanden schon immer statt, aber dass man dort zeichnen kann und Anschauungsunterricht für Biologie und andere Fächer kriegt, waren neue Ideen. Oberholzer/Lässer zeigen in ihrem Standardwerk Gärten für Kinder: naturnahe Schul- und Familiengärten von 1991, wie man einen Werkraum im Freien anlegt. Im Unterricht kann dann Material von Boden und Büschen eingesetzt werden. Neben Kies und Ton bietet auch Wasser gutes Anschauungsmaterial und einen hohen Spielwert.
Ein ausschließlich mit natürlichen Elementen wie Topographie, Hecken, Steinen, Bäumen und Sand gestalteter Schulhof braucht jedoch relativ viel Raum. Sind die Verhältnisse beengt, wie es in innerstädtischen oder städtischen Lagen oft der Fall ist, muss der Raum optimal für eine große Zahl von Kindern nutzbar sein.
Die Planung eines Schulhofs bietet spannende Herausforderungen, die, wie bereits Roth betont, von Anfang an beachtet und betrachtet werden müssen.
Wie kann man dieser komplexen Aufgabenstellung gerecht werden? Anhand von drei Beispielen aus der Schweiz, Belgien und Dänemark zeige ich mögliche Wege auf, Natur und höchste Ansprüche an die Benutzbarkeit zu vereinen:
Beim kürzlich von Ganz Landschaftsarchitekten gebauten Schulspielplatzes beim Primarschulhaus Krämeracker in Uster bei Zürich, kommt viel loses Material wie Kies, Sand und Steine zum Einsatz. Dies ist auf Schulhöfen meist nicht gerne gesehen. Lehrkräfte des Krämerackers äußern sich teilweise kritisch, beklagen, dass Steine gegen die Fenster fliegen. Andererseits ist der hohe Spielwert offensichtlich. Es fällt auch auf, dass kaum Farben zum Einsatz kommen, die Farbgebung wird der Natur und dem Lauf der Jahreszeiten überlassen. Dies könnte ein Grund sein, dass auch ältere Schüler den Platz gut annehmen. Mit eingebauten Kletter- und Balanciergeräten gelingt es, intensiv genutzte und ruhigere Bereiche zu schaffen. Als Fallschutz dient Kies. Der Hof, der zwischen zwei Schulgebäuden am Stadtrand von Uster liegt, ist gegen beide Seiten offen und immer zugänglich. Der Platz liegt wie ein Kissen auf der von Asphalt- und Steinplatten eingefassten Parzelle und erinnert an die frühere Moränen- und Kieslandschaft. (Gesamtfläche 11.200 m2) (Vergleiche dazu den Blogeintrag Die Schule der Zukunft braucht einen Pausenplatz der Zukunft vom Mai 2020 auf der Seite der Montag Stiftung schulen-planen-und-bauen.de).
Die Landschaftsarchitekten Studio Basta aus Kortrijk/ Belgien erhielten den Auftrag, einen asphaltierten Schulhof neu zu gestalten. Wer auf dem Pausenhof des Sint Lutgardis College in Oudergem in der Hauptstadtregion Brüssel nicht Fußball spielte, war fehl am Platz. Er musste mit den Randzonen vorliebnehmen, damit er nicht ins Schussfeld geriet. Folgen davon waren Mobbing und schlechte Stimmung, die nach der Pause ins Schulzimmer getragen wurden. Studio Basta begegnete der Herausforderung, indem sie auf der 1.850 m² großen Fläche verschiedene, bepflanzte Inseln schufen, einige hügelig andere flach oder mit versteckten Sitzgelegenheiten bestückt. 25 Bäume und viele Büsche wurden neu gepflanzt. Jede Insel erhielt ihr eigenes Spielprogramm, das sich an verschiedene Altersgruppen richtet: vom Sandplatz der Kleinen bis zum Minifußballfeld der Großen. So war es möglich, allen Bedürfnissen gerecht zu werden, und dies auf einer durch den Bau eines neuen Wohnblocks um 40% geschrumpften Fläche.
Auch Bogl Landschaftsarchitekten aus Dänemark wählten für die Neugestaltung des Schulhofs der Kalvebod Fælled Skole in Kopenhagen ein inselartiges Design. Dabei gingen sie vom Wegsystem aus, das sie wie eine Skate-Landschaft in Beton gossen. Die dicht mit Birken und Weiden bepflanzten Inseln bieten verschiedenste Spiel- und Klettermöglichkeiten für die Primar- und Sekundarschüler. Das Design lehnt sich an die Landschaft von Kalvebod Fælled an, eine Insellandschaft, die dem Meer abgewonnen wurde und ein raues, windiges Klima hat. Der dichte Baumbestand mit 500 gepflanzten Bäumen bietet daher Schutz vor dem starken Wind, das Spiel nistet sich in diesen waldähnlichen Nischen ein. Das offene Wegsystem erlaubt kreisförmiges Rennen, Skaten oder Trottinettfahren.
Die drei Beispiele zeigen den differenzierten Bezug des Schulhofs zu seiner Umgebung auf, den ortsspezifischen Einsatz von Pflanzen (wobei entgegen der Prämissen des Naturgartens auch ausländische Pflanzen benutzt werden), das Fördern von altersdurchmischtem Gruppenspiel, das Ermöglichen von wildem Austoben und Ausruhen. Nicht zuletzt sind die Plätze ein ökologischer Beitrag, indem sie kühlend, schattenspendend und windbrechend wirken. Der Schulhof dient nicht nur dem Spiel, sondern ist im Gesamtgefüge des Stadtteils sinnvoll. Durch den Klimawandel hat er eine zusätzliche Funktion erhalten: Hitze zu absorbieren, die Verdunstung zu fördern und die Wasserdurchlässigkeit des Bodens zu erhöhen.