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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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12.10.2021 - Ausgabe: 5/2021

Schule am Park mit einem autonom nutzbaren Bewegungsangebot

Von Rebecca Rößler (Bacher Landschaftsarchitekten)

Photo
© Bacher Landschaftsarchitekten

Der Name Schule am Park kommt nicht von ungefähr, ein wunderschöner Altbaumbestand aus Platanen, Linden und Ahorn gibt dem Areal ein besonderes Flair. Die Schule am Eichborndamm im Bezirk Berlin Reinickendorf ist eine sonderpädagogische Schule mit dem Förderschwerpunkt „Geistige und Körperliche Entwicklung“. 

Auf dem Schulgelände befinden sich drei Schulgebäude: Der weiß-rote Klinker-Altbau, der farbenfrohe „Neubau“ von 1975 sowie der Moderne Modulare Erweiterungsbau (MEB) von 2020. Die Architektur auf dem Schulgelände ist damit so vielfältig und facettenreich wie die Schüler*innen selbst. 

Hier lernen ca. 280 Kinder und Jugendliche von der ersten bis zur zwölften Klasse gemeinsam und miteinander. Die Schwere der Beeinträchtigung der Kinder variiert stark: So sind sehr aktive und bewegungsfreudige sowie stark körperlich und geistig beeinträchtige Kinder und Jugendliche in gemischten Kleingruppen auf die jeweiligen Klassen verteilt. 

Die Schulleitung und das Kollegium legen großen Wert auf motorische Förderung und Forderung der Kinder als Vorbereitung für ein möglichst selbstbestimmtes Leben und den Einstieg in die Berufswelt. Die vorhanden Freianlagen waren nicht barrierefrei gestaltet und standen somit konträr zu den pädagogischen Ansätzen der Schule.  Die Teilnahme am Pausenspaß war einigen Schüler*innen teilweise nur durch besondere Hilfestellung möglich. Die Nutzungsmöglichkeit der Außenanlagen verschlechterte sich durch die Errichtung des MEB mit dringend benötigtem Unterrichtsraum noch mehr. Der kleine Sportplatz musste weichen und das Bewegungsangebot für die Schüler*innen reduzierte sich signifikant. 

Im Rahmen des Programms „Grün macht Schule“ der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie wurden im Jahr 2018 durch Bacher Landschaftsarchitekten erste Konzepte für eine vollständige Neuplanung des Schulhofes entworfen und in einem Beteiligungsverfahren mit der Schule diskutiert.

2018 wurde der Beschluss durch das Bezirksamt Reinickendorf gefasst, auf Grundlage dieses Konzeptes die Freianlagen neu zu gestalten.

 

Konzeptskizze

Zunächst ging es darum die Idee der Konzeptskizze zu konkretisieren. Die Fragestellung nach der Gestaltung der Freianlagen und den erforderlichen Funktionen und Qualitäten sowie den notwendigen Sicherheitsvorkehrungen war sehr vielschichtig und anspruchsvoll:

Wie ermöglichen wir es allen Schüler*innen der ersten bis zur zwölften Klasse ein möglichst integratives und breites sowie vielfältiges motorisches und sensorisches  Angebot in den Freianlagen zu ermöglichen, welches den Qualitätsanforderungen der hoch engagierten Schule gerecht wird und dabei ausreichend gestaffelte Bewegungsangebote für die unterschiedlichen Altersstufen und motorischen Fertigkeiten der Schüler*innen inkludiert? Welche körperlichen und geistigen Einschränkungen gilt es zu berücksichtigen? Wie können wir fördern und welche Angebote überfordern? 

Wie erhalten wir den Altbaumbestand und somit die besondere Atmosphäre des grünen Schulhofes und können trotzdem dem Wunsch nach einem neuen Sportplatz, einem Verkehrs- und Schulgarten und neuen integrativen Spielanlagen nachkommen und dabei die technischen Anforderungen an Barrierefreiheit und Fallschutz gewährleisten? Und, last but not least, wie schaffen wir eine architektonisch, harmonische Verbindung zwischen den zu erfüllenden Funktionen und der so unterschiedlichen Bausubstanz im Bestand? 

 

Planung

Hauptaugenmerk der Planung war die Bereitstellung eines weitgehend autonom nutzbaren Bewegungsangebotes unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Beeinträchtigungsgrade der Schüler*innen. Die Planung der Freianlagen erfolgte in enger Abstimmung mit der Schulleitung und gewährte uns einen tiefen Einblick in die Arbeit mit körperlich und geistig behinderten Kindern. Die dringlichste Aufgabenstellung war die funktionale Neugliederung des Areals. Unser Flächenkonzept segmentiert den Schulhof in sechs Bereiche, welche sich in Funktion, Aktivitätsintensivität, Altersklassen und den notwendigen Betreuungsschlüssel unterscheiden. 

Ein weiterer zentraler Aspekt der Planung war die Zugänglichkeit zu den Spielangeboten bei gleichzeitigem Erhalt der parkähnlichen Atmosphäre. Hieraus entwickelte sich die Frage nach der Materialität. Aufgrund der heterogenen Bausubstanz musste ein verbindendes, neutrales und rollstuhlfahrerfreundliches Material gefunden werden. Wir haben uns hier für einen dunklen Gussasphalt entschieden. Dieser zieht sich als „Roter Faden“ durch den Schulhof und verbindet die Spiel- und Aufenthaltsbereiche miteinander. Der glatte Asphalt steht in Kontrast zu den bestehenden Betonpflasterwegen, welche die funktionale Erschließung der Gebäude markieren. Durch den Material- und Rauhigkeitswechsel der verschiedenen Oberflächen wird zusätzlich ein Hinweis auf die unterschiedlichen Funktionen für die Schüler*innen generiert.  Als Kontrast zum Asphalt und zur Kenntlichmachung der Spielzonen wurde ein mehrfarbiger Kunststoffbelag gewählt, welcher die Farben der drei Schulgebäude aufgreift. Um den natürlichen Charakter des Areals zu betonen, wurden als Formsprache Kreise und weiche Schwünge angelegt. Diese fügen sich, trotz des konventionellen und künstlichen Belags, harmonisch und natürlich in den vorhanden Altbaumbestand ein. Zudem steht der Kreis in seiner Symbolfunktion für Schutz und Vollkommenheit und soll somit einen sicheren Raum für die Schüler*innen versinnbildlichen. Es soll ein Ort geschaffen werden, der die eigenen Fähigkeiten stärkt, der aber auch Raum für Wiederholung und Misserfolg bietet. Motorische Fertigkeiten werden somit sanft und spielerisch gefördert.

Herzstück des Schulhofes ist der gemischte Spielbereich vor dem Neubau aus den 1970er Jahren. Er bildet den zentralen Platz für den Großteil der Inklusionsspielgeräte wie Rutsche, Schaukeln, Wackelplatten, Wasserspielanlage, rollstuhlgerechtem Motorik-Pfad mit Klangelementen, Spielhaus und Sandspielfläche. Unterschiedlich große farbige Kreise aus Kunststoffbelag verbinden ineinander übergehend den Spielbereich ästhetisch und bieten zugleich den nötigen Fallschutz beim Spielen. 

Des Weiteren werden einzelne Kreise durch Erdmodellierungen als Hügel- bzw. Mulden ausgebildet und formen dadurch auch topographisch einen spannenden Spielraum. Hier wurde in der Planung sensibel darauf geachtet, dass alle Bereiche barrierefrei zugänglich sind. Diese hügelige Spiellandschaft aus Kunststoffflächen und Asphalt bietet allen Schüler*innen ein breitgefächertes Bewegungsangebot. Die Hügel sind flach ausmodelliert und können mittels eingelassener Stufen, Seilen oder Klettergriffen erklettert werden. Der Rutschenhügel, die Wasserspielanlage und der rollstuhlgerechte Motorik-Pfad wurden hierfür in enger Zusammenarbeit mit der Fa. ESF Emsland Spiel- und Freizeitgeräte GmbH & Co. KG entwickelt und rollstuhlgerecht angepasst. 

Das Areal vor dem MEB ist als ruhige Pufferzone und Beobachtungsort gedacht. Hier können die Kinder innehalten und die nächste Aktivität planen oder einfach nur beobachten. Eine Rundbank für die Lehrkräfte ist so aufgestellt, dass der gesamte Spiel-und Bewegungsbereich einsehbar ist. 

Vor dem Altbau befindet sich ein multifunktionaler Bereich mit rollstuhlunterfahrbaren Tischen und asymmetrischen „Sitz-Wurm-Bänken“. Direkt angrenzend befindet sich ein Verkehrsgarten samt Kreisverkehr und Verkehrszeichen, wo neben spielerischen Aktivitäten auch erste Kenntnisse für das Verhalten im Straßenraum erworben werden können. Hier werden die Schüler*innen für Situationen im alltäglichen Straßenverkehr sensibilisiert. Kleine motorische Hürden und Hindernisse wie Borde und taktile Platten inklusive. Daneben ist der der Bereich für Sport, Spiel, Bewegung und Action angeordnet. Der Sportplatz aus farbigem Kunststoff mit umlaufendem Ballfangzaun und zwei Laufbahnen bietet Platz für Fuß-und Street-Ball sowie Leichtathletik, Volleyball und Badminton. 

Am südlichen Ende des Grundstücks liegt der Chill-Out Bereich samt Liegenetz und einsehbarem Pavillon für die älteren Schüler*innen, welcher zum Aufenthalt und Entspannen unter dem altem Baumbestand einlädt.

Südlich des Sportplatzes schließt der Schulgarten an, welcher – zwischen Bestandswäldchen und Schulgebäude gelegen – einen umzäunten grünen und ruhigen Lern- und Experimentierort anbietet. Naturnahe Bereiche am Rand bieten ökologische Nischen für die Tier- und Pflanzenwelt, ein Gartenhaus samt Tafelfläche und angrenzender Wiese laden zum Unterricht im Freien ein, Picknicktische zum Verzehren der geernteten Gartenprodukte.  Ein besonderes Highlight ist die Bepflanzung des Schulgartens. Hier gibt es Obstbäume und Beerensträucher, die zum Naschen und Verkosten einladen. In der Mitte des Gartens befindet sich ein angehügelter Kräutergarten innerhalb eines Kreises, der durch einen taktilen Pfad durchschnitten wird. Eine Fülle von Kräutern und Duftpflanzen lädt zum Anfassen, Riechen und Schmecken ein, wodurch eine Vielfalt an Sinnen angeregt wird. Auf Hochbeeten können in Projektarbeit Gemüse, Kräuter und Blumen gezogen werden und machen so den taktilen Kontakt auch für Kinder im Rollstuhl möglich. Im Garten ist ein Trichtertelefon aufgestellt, durch welches sich die Schüler*innen geheime Botschaften zukommen lassen können. Ein Rollstuhl-Trampolin findet dort ebenso seinen Platz.

Auch die Bepflanzung wurde auf die Bedürfnisse der Schüler*innen abgestimmt. Ein großer Teil des Geländes liegt unter altem, dichtem Baumbestand und ist damit weitgehend verschattet. In diesen Bereichen kommen Staudenmischungen und Gehölze zum Einsatz, die mit wenig Licht auskommen und trotzdem durch unterschiedliche Blattstrukturen und Blühaspekte interessante Akzente setzen. Besonders wichtig war uns auch die Verwendung von Blütenpflanzen, die vielen Insekten zu unterschiedlichen Jahreszeiten eine gute Nahrungsquelle bieten. Blumenzwiebeln, die besonders im Frühjahr einen wichtigen Blühaspekt darstellen, ergänzen die Mischpflanzungen. Mit diesen Pflanzungen wird eine geschlossene Pflanzendecke erzielt, wodurch der Pflegeaufwand nach der Anwachsphase sehr geringgehalten wird. 

In den Randbereichen finden sich vogel- und insektenfreundliche Gehölze, die als frei wachsende Hecken Raum zum Brüten bieten und gleichzeitig Blüten- und Fruchtschmuck aufweisen. Dabei wurde beachtet, dass zum Schutz der Schüler*innen keinesfalls giftige Gehölze und Pflanzen verwendet wurden. 

Die Neugestaltung des Schulhofes wird im Oktober 2021 nach einer Bauzeit von sieben Monaten abgeschlossen sein.

 

 

Fakten: Schule Am Park, Eichborndamm 276, 13437 Berlin - Reinickendorf

Bauzeit: 04/21 – 10/21

Bausumme brutto: ca. 970.000 € 

Bauherr: Bezirksamt Berlin - Reinickendorf 

Landschaftsarchitekt: BACHER Landschaftsarchitekten

Ausführende Firmen: Märkisch Grün GmbH, ESF Emsland Spiel- und Freizeitgeräte GmbH & Co. KG, Modellbau Stein GmbH, Polytan GmbH, 

Prignitzer Asphaltbau GmbH & Co. KG 

 

 

 

 

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