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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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18.02.2022 - Ausgabe: 1/2022

Das „Haus am Bach“: ISGY – Gymnasium Ismaning

Von Petra Stautner (Stautner + Schäf Landschaftsarchitekten und Stadtplaner Part. mbB)

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© Stautner + Schäf Landschaftsarchitekten und Stadtplaner Part. mbB

Mit dem Ziel, das 2013 genehmigte, neue staatliche Gymnasium Ismaning in möglichst kurzer Planungs- und Bauzeit realisieren zu können, entscheidet sich die Gemeinde anstelle eines Neubaus für die Umnutzung eines freiwerdenden Bestandsgebäudes. Der Gebäudekomplex des ehemaligen Telekom-Bildungszentrums und späteren Commundo Tagungshotels am Seidl-Kreuz-Weg soll in nur zwei Jahren zu einem vierzügigen Gymnasium umgebaut werden. 

Das Grundstück des zukünftigen ISGY liegt zentrumsnah, nur wenige 100 Meter vom S-Bahnhof entfernt und gleichzeitig landschaftlich idyllisch an den Bachauen des Kernbachs, umgeben von dichtem Baumbestand, mitten in der Natur. 

Bereits bei der ersten Ortsbesichtigung berühren die Ruhe und besondere Ausstrahlung des Ortes. Vogelzwitschern und Insektensummen begleitet uns durch die verlassene Anlage. Die nach Süden orientierten Freiflächen werden von zahlreichen großen Bäumen natürlich beschattet und durch den tiefer liegenden Kernbach begrenzt. An dessen Ufer, gesäumt von alten Weiden und Eschen, ist die Stimmung geradezu magisch. Diese Atmosphäre gilt es zu bewahren, im Entwurfsprozess mitzunehmen und den Schüler*innen zu vermitteln.

 

Entwurfsgedanke

Schnell steht fest, dass der Planungsansatz hier nicht von der Maximierung der verfügbaren und bespielbaren befestigten Pausenhofflächen ausgehen kann. Vielmehr kann die Qualität dieses Ortes einen anderen Umgang mit Freiflächen fördern und gerade dadurch zur Identifizierung mit der Schule beitragen.

Zentraler Entwurfsgedanke ist die Verzahnung des Schulkomplexes mit der umgebenden Landschaft, der vollständige Erhalt des Baumbestandes und die Einbindung des Bachlaufes.

Da die Versorgung mit Freisportanlagen durch den Neubau einer 4-fach Sporthalle mit Außensportflächen in unmittelbarer Nähe gesichert wird, können die Nutzungsanforderungen an die Pausenhofflächen zugunsten der Beibehaltung vorhandener Vegetationsstrukturen reduziert werden.

 

Schulhöfe mit wachsenden Aufgaben

Im Wandel von Lern- und Unterrichtskonzepten und Ganztagsprogrammen verändert sich auch die Funktion und Bedeutung der Pausenhöfe. Kinder – und Jugendliche verbringen einen Großteil ihres Alltags auf dem Schulgelände. Hier findet nicht nur Bewegung als Ausgleich zum Sitzen und für den Stressabbau statt, hier üben die jungen Heranwachsenden das soziale Miteinander und erlernen Gemeinschaft. Es braucht Platz zum Toben, Spielgeräte zur Förderung von Koordination und Motorik, aber ebenso wichtig sind Räume für Rückzug, Entspannung und Naturerfahrung. Orte, die angeeignet werden können und identitätsstiftend wirken.

 

Bauphase

Nach zweijähriger Planungszeit beginnen im Frühjahr 2017 die Landschaftsbauarbeiten, während die Gebäudesanierung noch in vollem Gange ist. Zahlreiche Planungsänderungen und – Erweiterungen während der Bauphase, unvorhergesehene Schwierigkeiten durch schadhafte Bausubstanz und den hohen Grundwasserstand, sowie der immense Zeitdruck stellen das gesamte Planungsteam vor große Herausforderungen. Der Aufwand lohnt sich. Während die bestehende Fassade kaum verändert wird, entsteht im Inneren eine hochmoderne Schule mit ungewöhnlich großzügigen Räumen und bester technischer Ausrüstung.

Die Freiflächen des ehemaligen Tagungszentrums werden vollständig abgeräumt und für die Schulnutzung neugestaltet. Vorhandene Bäume können erhalten werden und liefern wertvollen natürlichen Schatten. Robuste Pflanztröge, Sitzelemente und Holzdecks aus massivem Stahl und FSC-zertifiziertem Hartholz sind prägende Gestaltungselemente und wurden eigens für diesen Ort entworfen.

Die besondere Lage und Gebäudestruktur des ISGY lässt rund um das kernsanierte Bestandsgebäude - eingebettet in die Landschaft - abwechslungsreiche Freiräume für die vielfältigen Bedürfnissen der Schüler*innen und Lehrer*innen entstehen.

 

Südterrassen

Großzügige Terrassen mit schirmförmigen Gehölzen und Sitzpodesten schließen auf der Südseite unmittelbar an die gläsernen Fassaden von Aula, Mensa und Veranstaltungsraum an und verbinden damit Innen- und Außenraum. Von der geschützten Mensaterrasse blickt man nach Süden in die dichte grüne Baumkulisse.

Auch die Kunsträume sind zum Bach hin orientiert im Erdgeschoss angeordnet, mit direkten Zugängen zu Arbeitsbereichen im Freien. Sie bilden perfekte Orte für Kreativprojekte und Arbeiten mit natürlichen Materialien. Der Garten wird zum Ausstellungsraum für zahlreiche Kunstwerke, die in den Bäumen hängend oder entlang des Bachufers präsentiert werden.

 

Kleiner Pausenhof als Rückzugsort

Der weitgehend umschlossene Innenhof des Schultraktes ist als „Grünes Klassenzimmer“ konzipiert. Pflanzflächen mit immergrünen Gräsern, Blütenstauden und locker gestellten mehrstämmigen Kleinbäumen, eingefasst von langen Sitzmauern, schaffen einen Aufenthaltsbereich mit ruhiger Atmosphäre in unmittelbarer Nähe zur Bibliothek. Lehrer wie Schüler schätzen die Intimität und gute Akustik des Hofes, der deshalb gerne als Podium und Versammlungsraum im Freien genutzt wird.

 

Großer Bewegungs-Pausenhof

Die Gestaltung des Schulhofes im Westen nimmt die fingerartige Vegetationsstruktur des ehemaligen Parkplatzes auf und verstärkt sie mit Sitzmauern, um die große Freifläche zu gliedern. Dadurch entstehen vielfältig nutzbare Nischen und Teilräume mit Spiel- und Sportmöglichkeiten.

Tischtennisplatten und Streetballkörbe stellen vor allem im Rahmen der Ganztagesbetreuung wichtige Bewegungsangebote dar, die von allen Altersgruppen und Mädchen wie Jungen gleichermaßen genutzt werden können. Im Gerätehaus finden die Schüler*innen zudem Spielmaterialien für die „bewegte Pause“, die auf den großen Platzflächen genutzt werden können.

Zahlreiche Studien zur Untersuchung der kindlichen Motorik belegen, dass es jungen Menschen zunehmend schwerfällt, zu balancieren, auf einem Bein zu stehen, oder rückwärts zu gehen. Für die Bewegungssicherheit ist der Gleichgewichtssinn von entscheidender Bedeutung. Ein behutsam in den Baumbestandsbereich integrierter Niedrigseilgarten regt zum Balancieren an und schult spielerisch das Gleichgewicht.

In Abstimmung mit der Fachschaft Sport werden eine 6m lange Boulder-Wand mit Überhangelementen und eine Slackline-Anlage konzipiert. Sie sollen auch im Rahmen des Sportunterrichts genutzt werden. Klettern und Slacklining gehören zu den bei Kindern und Jugendlichen beliebten Trendsportarten, die einen hohen Aufforderungscharakter besitzen. Beim Klettern können Körper- und Bewegungsabläufe trainiert werden, zugleich wird die soziale Kompetenz gefördert. 

Neben konkreten Spiel- und Sportangeboten sind Freiflächen, die nicht komplett einsehbar sind, genauso wichtig. Das weitläufige, mit zahlreichen Sträuchern bewachsene Gelände des ISGY, bietet ausreichend Raum zum Fangen und Verstecken, beispielsweise für das vor allem bei jüngeren Kindern beliebte Spiel „Königsfrei“.

 

Der Bach als identitätsstiftendes Element

Einen wichtigen Beitrag für die gelungene Umsetzung des Entwurfskonzeptes liefert die Schulleitung. Sie stimmt dem Vorhaben zu, die Einfriedung des Schulgeländes jeweils nur seitlich bis zum Bachufer zu führen. Dadurch kann der Uferbereich des Kernbaches in die Nutzung einbezogen werden. Sitzstufen in der Uferböschung führen nun hinunter zum Wasser und öffnen den Blick in die intakte Natur der Bachauenlandschaft. Der Wasserlauf selbst ist flach und kann vor allem im Sommer auf vielfältige Weise bespielt werden. Die Stufen am Bach entwickeln sich bald zu Lieblingsorten. An heißen Tagen waten die Kinder durch das Wasser, oder genießen den Schatten unter den Bestandsbäumen. Mit vorgefundenen Naturmaterialien wird gebastelt und gebaut. 

Das Konzept scheint aufgegangen zu sein. Die Schüler*innen sind schnell angekommen in ihrer neuen Schule und haben sich die Frei-Räume angeeignet. Die besondere Magie dieses Ortes spüren auch die jungen Menschen. Sie haben den Kernbach von Beginn an als identitätsstiftendes Element begriffen. Zur Eröffnungsfeier haben sie einen bekannten Song von Peter Fox umgeschrieben: „Haus am Bach“ nennen sie ihre Schule.


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