Logo

Playground@Landscape

Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

Slide 0
Slide 1
Slide 2
Slide 6
Slide 7
Slide 8
18.02.2022 - Ausgabe: 1/2022

Pausenhof und Bewegung

Von Isabel Wenzel (frei raum concept sinz-beerstecher + böpple landschaftsarchitekten PartGmbB)

Photo
© frei raum concept sinz-beerstecher + böpple landschaftsarchitekten PartGmbB

Ammerbuch – Entringen

Um die Idee und das Konzept für den neuen Schulstandort der Gemeinschaftsschule, die Schule als Ministadt in Ammerbuch-Entringen zu verstehen, ist die historische und räumlichen Entwicklung der Gemeinde kurz zu erläutern.

Der Ortsteil Entringen liegt als einer von sechs Teilorten der Gemeinde Ammerbuch am Fuße des Naturparks Schönbuch. Die auslaufende Hangsituation mit Streuobstwiesen und Gütle fließt in den Ort und geht über in die weitreichende, wellige Landschaft mit Ackerland und Wiesenflächen.

Die sechs Teilorte sind seit 1971 zur Gemeinde Ammerbuch zusammengeschlossen. Sie liegen im Ammertal entlang der Achse zwischen der Universitätsstadt Tübingen und Herrenberg und sind neben der B295 sehr gut durch Radwege wie auch durch die Ammertalbahn miteinander verbunden. 

 

Standortsuche und Ausgangssituation

In städtebaulichen Testentwürfen und Wettbewerbsverfahren wurden in den Jahren 2014 bis 2017 verschiedene Standorte in unterschiedlichen Ortsteilen für die 2013 gegründete Gemeinschaftsschule untersucht. Im Vordergrund standen dabei

 

  • eine gute und sichere Erreichbarkeit
  • ein Standort mit weiterem städtebaulichem Entwicklungspotential
  • ein Standort mit hoher Identifikation für alle Ortsteile
  • ein Schulstandort mit viel Ausgleichspotential eines Ganztagesschulbetriebs

 

Lage, Erschließung und Baukörper – Planungsprozess

Die Wahl fiel auf das Gebiet „Ob dem Bahnhof“ in Entringen. Der Ort liegt in unmittelbarer, fußläufiger Nähe zum neuen barrierefreien Haltepunkt der Ammertalbahn, in einer leichten Hanglage mit Blick auf den Ortskern, Schlossberg und den Schönbuch. Die Schaffung einer neuen städtebaulichen Gesamtsituation aus Gemeinschaftsschule, Kindergarten und einer Sporthalle für Schulen und Vereine war gewährleistet.

K9 Architekten entwarfen dementsprechend für die Schulgemeinschaft in Ammerbuch ein Gebäude, das dieser Vorstellung von Kollektivität Raum gibt. Vier verschränkte Volumina bilden die verschiedenen „Stadtteile“ der Schule, die sich nach Grundschule, Sekundarstufe, Fachklassen und Sport unterscheiden. Großformatige Öffnungen in der Fassade geben dabei während der Koch- oder Roboter-AG den Blick auf den Ort und die Silhouette der Hangkante des Schönbuchs frei. 

Ein Schulgebäude, gegliedert wie eine kleine Stadt mit „Marktplatz“, der von Sporthalle und zwischenzeitlich von einem neuen Baustein, der Kindertagesstätte, gefasst wird und sich außerhalb der Schulzeiten auch für Feste und Veranstaltungen der Ammerbucher Gemeinschaft nutzen lässt. 

Diese städtebaulichen Rahmenbedingungen und die Geländetopografie mit ca. 10 m Höhenunterschied inspirierten unser Team von freiraumconcept dazu, einen Freiraum zu schaffen, der für eine verbindliche Ganztagesschule mit drei Tagen Nachmittagsunterricht viel Platz zum Entspannen und für Bewegung bietet.

In einem kooperativen Verfahren mit Schulleitung, Gemeinde und der Schulfamilie wurden in Arbeitskreisen und Workshops das Raumprogramm und eine Flächendisposition für die Schulen entwickelt.

 

Lernen, Entspannen, Bewegung - Freiraumkonzept

Die Schüler der Gemeinschaftsschule Ammerbuch lernen von der Grundschule bis zum Schulabschluss gemeinsam auf einer Schule. Sie verbringen einen Großteil ihrer Schul- und Freizeit zusammen auf dem Campus. Dieser Ort des Zusammenführens und der Integration hat großen Einfluss darauf, wer sie sind und wer sie werden können.

Bereits in der Zuwegung zum Schulgelände treffen die Schüler auf dem Weg zur Schule aufeinander. Von der neuen barrierefreien Fußgängerunterführung des Haltepunktes führt der Fußweg aus der Ortsmitte entlang der Fahrradabstellplätze zur Schule. Entlang niederer Heckenbänder und überstellt von einer Allee aus Silberlinden treffen alle Schüler und Lehrer auf dem Weg zur Schule zueinander. Erste Gespräche, die letzten Hausaufgaben auf der Treppe und Kicken oder Fangespielen vor der ersten Schulstunde finden statt.

Schulgebäude und Sporthalle sind so im Gelände positioniert, dass der Höhenunterschied von ca. 4 m von der Lindenallee zu den Schulgebäuden einen einladenden und fließenden Eindruck vermittelt. Die nördlichen Hangbereiche fangen mit steileren Rasenböschungen den restlichen Höhenunterschied zur freien Feld- und Wiesenlandschaft ab. Ausreichend breite, barrierefreie Wege und Treppenanlage verzahnen sich mit den Freiräumen, erschließen die verschiedenen Parterres und Aktivzonen und führen auf den Pausenhof / Marktplatz der Schule.

Um den Pausenhof / Marktplatz und die verschiedenen Baukörper herum liegen miteinander barrierefrei vernetzte und gemeinschaftlich genutzte Erholungs- und Bewegungsräume der Schüler und des Kollegiums.

Dem Pausenhof vorgelagert liegt die Spielwiese. Eine intensiv gepflegte Rasenfläche, die sowohl zum Fußball- wie auch zum freien Spielen Raum bietet. Deren Böschungsbereich zum Schulhof lädt mit einer Sitzstufenanlage aus Betonfertigelementen und großformatigen Holzsitzblöcken aus regionalen Wäldern und Rasenterrassen zum Sitzen und Verweilen ein und bildet das zentrale Element im Vorfeld der Schule.

Der Pausenhof/ Marktplatz selbst wird in Asphalt ausgeführt. In die Fläche integriert sind Bodensignaturen für die Verkehrsschulung und verschiedenen Unterflursysteme für Veranstaltungen und Feste. In den Randbereichen wurden auf Wunsch der Schüler zwei Tischtennisplatten und ein Streetballkorb für die Pause integriert. Zwei großflächige Bauminseln für schattenspendende Einzelbäume sind Bestandteil des schulübergreifenden Pflanzkonzepts. Vom Marktplatz aus hat man einen identitätsstiftenden Blick auf die Ortsmitte und den Naturpark Schönbuch.

Schule und Sporthalle werden durch einen Laubengang miteinander verbunden. Diese permeable Struktur bietet witterungsunabhängig Platz zum Treffen und Quatschen. Gleichzeit schafft sie eine räumliche Trennung zum Atrium. 

Eine Vielzahl von Freiräumen unterschiedlicher Qualitäten und Angebote findet hier seine Fortsetzung.  Ein Baumhain mit Rasenfläche und lockerer Baumstellung bietet als Kontrast zum resistenten Pausenhof einen geschützten Ort zur Erholung und zum Aufenthalt im lichten Schatten. Getrennt durch eine niedere Hainbuchenhecke folgt das Streetballfeld und bildet den Übergang in die angrenzenden Wiesenflächen des Schulgeländes. Ein Element für die Aktiven und als Ausgleich für die Schüler zum langen Sitzen im Unterricht.

Den Eingangsbereich der Grundschule mit einer in die Fassade integrierten Holzbank liegt auf dem Niveau des Marktplatzes und wird räumlich durch eine kleine Treppenanlage von der Hauptzufahrt getrennt.

Der Pausenbereich der Grundschule und der Kernzeitbetreuung liegt im westlichen Bereich des Schulgeländes und wird in die angrenzenden Rasenböschungen integriert. Zwei Sitzstufen aus Betonfertigelementen und Holzsitzblöcken nehmen die Gestaltungsqualität des Marktplatzes auf und fangen im unteren Bereich die Böschung ab.

Tritt man aus der Aula heraus, empfängt einen ein kleines Forum zum Sitzen oder Unterricht im Freien. Tische und Stühle wurden hier, auch in den Zeiten vor der Pandemie, herausgestellt und vor den offenen Fenstern der Klassenräume der Unterricht abgehalten.

Die aus der Topgraphie heraus entwickelte Schullandschaft mit den verschiedenen Aktivitätsbereichen findet auf den Wiesenparterres zur freien Landschaft hin ihre Fortsetzung. In einem kooperativen Verfahren wurden bereits zukünftige Entwicklungspotentiale definiert und Räume für weitere Aktivitäten und eine Nachattraktivierung geschaffen.

Vorrangig war es auch ein Wunsch, die vorhandenen Spielgeräte der Grundschule in den Freianlagen wieder zu verwenden und in das Konzept zu integrieren. So wurde die vorhandene Boulderanlage um ein großflächiges Dach erweitert und witterungsunabhängig nutzbar gemacht. Diese bildet nun zusammen mit den vorhandenen Klettergeräten ein Spiel- und Bewegungsraum für die Kleinsten. Weitere Ebenen wurden bereits für ein mögliches Großspielgerät vorbereitet und in direkten Bezug zur Grundschule gesetzt.

Eine für den Schulgarten vorgesehene Ebene fand bereits nach zweijährigem Betrieb ihre erfolgreichen Nutzer. Sie wurde in diesem Jahr erstmalig gärtnerisch angelegt und Obst und Feldfrüchte angebaut. Die Schulgemeinschaft mit Eltern und lokalen Firmen hat den Ort angenommen und sich von der landschaftlichen Lage inspirieren lassen.

Eine Ministadt lebt nicht ohne Gassen und Höfe. Läuft man durch die Aula und die Flure, öffnen sich helle, lichtdurchflutete Innenhöfe, die mit den verschiedenen Nutzungen korrespondieren.

Der Hof der Mensa bietet mit seiner großzügigen Terrasse und dem prägenden Hofbaum den Bereich zum Essen und Lernen im Freien. Zum angrenzenden Lernflurbereich der Grundschule schaffen die großzügigen Pflanzbeete eine Pufferzone und wohltuende Ausblicke. 

Der Werkhof ist der Außenbereich der angrenzenden Werkräume und bietet genügend Platz für das Arbeiten im Freien. UrbanGardening, eine Bepflanzung der Töpfe oder der Bau von Nisthilfen finden hier statt. Die eingelegten Pflanzbeete mit den mehrstämmigen Zieräpfeln bilden dabei den Blickpunkt für die ebenfalls angrenzenden Musikräume. 

Der Lesehof hat einen grünen Charakter, ein Pflanzteppich durchzieht diesen Hof, in den einzeln eingelegte Inseln als Sitzbereiche den Schülern einen Rückzugsraum bieten. Der frische und kühlende Charakter des Hofes ist vor allem in den Sommermonaten begehrt. 

Insgesamt bietet die Schule damit ein sehr breites Angebot für alle Schüler. Jedes Kind kann individuell gefördert werden, sich mittendrin mit anderen zu bewegen, zu springen und zu toben. Es kann sich zurückziehen, erholen und entspannen. Die Lehrer agieren dabei als Beobachter, Begleiter und Coaches. Ein integrativer, kooperativer Freiraum, in dem sich alle Altersstufen und Charaktere miteinander vermischen. Elternmitarbeit und Partnerschaften mit außerschulischen Akteuren sind zentrale Bestandteile des Konzepts: lernen – entspannen – bewegen.


 

Mehr zum Thema Schulhofgestaltung

image

Schulhofgestaltung

Neue Schule - neues Glück

Wenn es eng wird im eigenen Haus, weil die Familie wächst, ist es Zeit für einen Wohnungswechsel. Besteht gar die Möglichkeit für einen Neubau, umso besser, lassen sich doch so...

image

Schulhofgestaltung

Grundschule Harkshörn in Norderstedt

Nachhaltiges Regenwassermanagement für Sportplätze

image

Schulhofgestaltung

Grundinstandsetzung Schulhof Wartiner Straße 6, Berlin-Lichtenberg

Wir schreiben das Jahr 2006 – noch ist das starke Bevölkerungswachstum, welches Berlin in den nächsten Jahren haben wird, kein Thema. In Wartenberg, einem Ortsteil des Berliner Bezirkes Lichtenberg, wird die Grundschule an...

image

Schulhofgestaltung

Spiel-, Sport- und Ruhebereich zugleich – Wie unterschiedliche Anforderungen auf kleinstem Raum umgesetzt werden können

Die neue Außenanlage der Grundschule II am Fürholzer Weg in Neufahrn bei Freising ist ein vielfältiger Aufenthaltsbereich, der zum Spielen, Toben und Ausruhen einlädt.

image

Schulhofgestaltung

Spielhang Risskov-Schule

Die Risskov-Schule wurde um einen Neubau für die Schüler der Jahrgangsstufen 0 bis 2 erweitert. Von allen Räumen dieses Gebäudes aus hat man Zugang zu einem großen Spielhang im Freien, der die...

image

Schulhofgestaltung

Vom Schwarzen Platz zum Bunten Hof

Neubau der dreizügigen Grundschule im Frankfurter Stadtteil Berkersheim.