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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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18.02.2022 - Ausgabe: 1/2022

Inklusion und Natur

Von Stefan Kalckhoff (Kalckhoff Benoit Landschaftsarchitekten Stadtplaner PartGmbB

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© Maximilian Gottwald und Stefan Kalckhoff


Eine schulische Einrichtung für geistig und körperlich beeinträchtigte Kinder und Jugendliche zur entwerfen, ist an sich schon eine sehr anspruchsvolle Planungsaufgabe; wenn sich der gesamte Neubau dann auch noch in einem potentiellen Überschwemmungsgebiet befindet, wird die Planung eine echte Herausforderung.

Das Heilpädagogische Zentrum (HPZ) in Rosenheim liegt auf der Flötzinger Wiese, umrahmt von einem unterirdischen Regenrückhaltebecken sowie dem Herder- und dem Ledererbach im Überschwemmungsgebiet der Mangfall. Nachbarn auf dem Grundstück sind die Grundschule Erlenau mit KiTa, ein Kindergarten der Arbeiterwohlfahrt und die große Gabor-Sporthalle. Die Einrichtung umfasst eine Grund- und weiterführende Schule für die Förderung von Krippenkindern bis hin zu Jugendlichen mit entsprechenden Werkräumen sowie eine Kindertagesstätte.

Diese Nachbarschaft mit den teils städtischen Einrichtungen ist für den Bauherrn und Betreiber des HPZ, den Caritas-Verband München und Freising e. V. ein großes Plus. Das wichtige Ziel der Inklusion der behinderten Kinder und Jugendlichen im gesellschaftlichen Rahmen wird alleine schon durch die räumliche Verknüpfung und die gemeinsamen Nutzungen von Sport- und Freizeiteinrichtungen gefördert.

Außerdem fördert die Lage der Einrichtung intensive Erfahrung mit der Natur, vor allem mit dem Element Wasser. Der kleine naturnah gestaltete Ledererbach ist unmittelbar erlebbar, in den vergangenen Jahren war auch immer wieder ein Biber bei seinem Werk zu beobachten.

 

Der Hochwassergraben

Im Überschwemmungsfall der nahen Mangfall würde der neue Baukörper des HPZ wie eine Hochwasser-Barriere wirken. Darum muss das Hochwasser erst in einem umlaufenden Wassergraben abgefangen und über Vorfluterflächen in den Lederer- bzw. Herderbach abgeleitet werden. Zu diesem Zweck sind die Schulbauten höher gelegen, ein Graben und eine temporär nutzbare Tiefgaragenfläche sowie Laufbahn und Rasenspielfeld dienen als Vorfluter.

Natürlich führt der Hochwassergraben nur zwei- / dreimal im Jahr Wasser, liegt also die meiste Zeit trocken. Daher war eine interessante und ästhetisch ansprechende Ausgestaltung wichtig, die den Graben nicht als technisches Monstrum aussehen lässt.

Abgestufte Mauern aus Drahtschotterkörben mit hellem Jurakalk, durchsetzt mit Polster- und Trockenstauden, Schotterflächen, Findlinge, wechselfeuchte Ruderalvegetation und Staunässe vertragende Bäume schaffen ein abwechslungsreiches Landschaftselement. Die von Grobschotter bis hin zu feinem Riesel abgestuften Körnungen im Trockenbachbett zitieren den Gewässerverlauf eines Gebirgsbaches.

Oberhalb des Hochwassergrabens liegen kleine, den verschiedenen Klassenräumen vorgelagerte Terrassen, abgegrenzt mit einer niedrigen Fingerkraut-Hecke. Durch die abgestufte Ausführung des Grabens ist keine Absturzgefahr gegeben.

 

Pausenhof und Sportflächen

Das „Grüne Band“ aus EPDM-Gummibelag zieht sich als Gestaltungsmerkmal von Norden nach Süden durch den Gebäudekomplex. In insgesamt zehn verschiedenen Grünabstufungen von hell- bis dunkelgrün umfasst es sportliche Flächen wie Laufbahn und Allwetterplatz sowie differenzierte Spielflächen des Schulhofes. Dort sind kleine Schaukeln, ein Karussell und viele Sitzmöglichkeiten untergebracht. Mittendrin liegt ein kleines Heckenlabyrinth aus Rotbuchen. Für die Kiddies im Rollstuhl sind vor allem die verschieden hohen EPDM-Hügel in der Fläche ein besonderer Anziehungspunkt. Durch die Anordnung und Farbgebung werden Sport-, Spiel- und Pausenflächen zu einer Einheit. Eine Besonderheit: Über den Hochwassergraben wird das „Grüne Band“ als ein für die Feuerwehr taugliches Brückenbauwerk geführt. Am südlichen Ende des Bandes neben dem Allwetterplatz steht im Schatten von neun großen Platanen eine große Nestschaukel.

 

Innenhöfe

Die sechs kleinen Höfe dienen als Rückzugsorte und Treffpunkte im kleinen Rahmen. Unter großflächigen Beschattungssegeln können Unterricht im Freien, Spielrunden und Gesprächskreise stattfinden. Einer der Höfe beim Krippenbereich bietet noch einmal Spielflächen für die Kleinsten.

 

Schulgarten

Auch für die gemeinsame Gartennutzung ist gesorgt. In Landschaftsstufen vom Schulgebäude herunter zur tief gelegten Laufbahn befinden sich auf den einzelnen Ebenen verschiedene Obstbaumarten und Pflanz-Hochbeete. Natürlich darf eine kleine Wasserstelle nicht fehlen. Die Ebenen sind über Treppen und barrierefreie Rampen erreichbar.

 

Gemeinsame Spiel- und Sportanlagen

Im Übergangsbereich zur Grundschule Erlenau wurde eine aus Spendenmitteln finanzierte Spiellandschaft mit Kletter- und Balanciermöglichkeiten errichtet. Sie ist allen Kindern aus Grundschule und Förderschule zugänglich, ein vorbildliches Beispiel von Inklusion im schulischen Bereich. Das gleiche gilt für das große Rasenspielfeld mit Zuschauertribünen südlich der Gaborhalle.

 

Fotos: Maximilian Gottwald und Stefan Kalckhoff

 

 

Weitere Informationen:

Bauherr: Caritasverband der Erzdiözese München und Freising e. V.

Bauzeit in zwei Bauabschnitten: 2009 bis 2014

Baukosten: 1.700.000,-- €

Hochbauarchitekten: Heid + Heid Architekten Part mbB, Fürth

Landschaftsarchitekten: Kalckhoff Benoit Landschaftsarchitekten Stadtplaner Part mbB, München


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