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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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19.04.2022 - Ausgabe: 2/2022

Spielen und Entspannen im Quartier

Von Sonja Griebenow (Linnea Landschaftsarchitektur)

Photo
© Linnea Landschaftsarchitektur und Oktavia Ostermann


Ausgangspunkt: Ein in die Jahre gekommenes Wohnquartier. In den Jahren 2010 bis 2020 hat die Zentrale Versorgungszusatzkasse der Stadt Hannover (zvk) das Quartier „Haydnstraße“ in Hannover Bothfeld abschnittsweise saniert und dabei die Außenanlagen in großen Teilen neugestaltet. 

Das Quartier stammt aus den 1960er und 70er Jahren umfasst 260 Wohneinheiten. Die Bebauung ist mit bis zu zehnstöckigen Wohnblöcken sehr dicht. Mittig eingerahmt liegt eine Parkgarage, deren Dachfläche bereits seit den 70er Jahren zum Teil als Spielplatz genutzt wurde. Die Mieterschaft des Quartiers ist sehr gemischt. Neben Älteren wohnen hier viele Familien mit Kindern. Leerstand gibt es fast keinen – dafür umso mehr Bedarf an Aufenthalts- und Spielflächen im Freien.

Der Dachspielplatz war zu Projektbeginn in schlechtem Zustand und musste aufgrund technischer Probleme mit der Entwässerung häufig gesperrt werden. Andere Spielangebote gab es nicht.

 

Freiraumkonzept als Chance – erst die Gesamtheit denken, dann die Einzelbausteine

Es wurden seitens des Bauherrn Zeit und Mittel eingesetzt, um den Prozess mit einem übergeordneten Freiraumkonzept für das gesamte Quartier zu beginnen. Dieses umfasste alle in den folgenden Jahren zur Sanierung anstehenden Bauabschnitte, sodass eine übergreifende Zielfindung und konzeptionelle Planung möglich waren. Mit der Erstellung des Freiraumkonzeptes ging eine Beteiligungsaktion für die Mieter einher.

Im Rahmen der Analyse wurde die Versorgung mit Spielangeboten auf Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen und des tatsächlichen Bedarfs geprüft. Wohnungsbauträger sind gesetzlich verpflichtet, für Kleinkinder Spielangebote bereit zu stellen. Ältere Kinder sollen öffentliche Spielplätze im erweiterten Umfeld nutzen. Für dieses Wohngebiet zeigte sich jedoch, dass für Kinder im Grundschulalter öffentliche Spielplätze in der Umgebung weit entfernt oder schwer erreichbar sind (u.a. durchtrennende Hauptverkehrsstraßen). Daher entschied die zvk, über die gesetzliche Verpflichtung hinaus auch für die älteren Kinder ein Angebot im Quartier zu schaffen.

 

Toben und Spielen für die Großen

Von den wenigen für eine Freiraumnutzung verfügbaren Flächen liegt eine am Rande des Quartiers. Diese wurde für lärmintensivere Spiel- und Bewegungsangebote für ältere Kinder ausgewählt, da keine Balkone oder Schlafräume angrenzen. 

Der so entstandene „Spielplatz Laher Kirchweg“ bietet ausreichend Platz für Basketballspiel, eine Tischtennisplatte, Schaukel- und Balancierangebote und ein größeres Dreh- und Klettergerät. Das Aushubmaterial wurde als Lärmschutzwall zur Straße wieder eingebaut, wodurch ein geschützterer Raum entstand und der Straßenlärm deutlich reduziert werden konnte. Der Wall wurde in das Spielangebot einbezogen. Dieser Spielplatz konnte im ersten Bauabschnitt bereits 2016 eröffnet werden.

 

Platz für die Kleinen auf dem Parkgaragendach

Weit weg von Straßenlärm und Durchgangsverkehr wurde auf der Fläche der zentral gelegenen eingeschossigen Parkgarage ein Platz für die kleinen Kinder und ihre Eltern geschaffen. Ruhig und sonnig, mit vielen Pflanzen – eine Oase in der Stadt. 

Vor der Neugestaltung ab dem Jahr 2018 mussten zunächst die über Jahrzehnte aufgewachsenen und für die Dachstatik viel zu großen Bäume entfernt werden, um anschließend die Abdichtung und die Entwässerung zu erneuern. 

Das neue Spielangebot umfasst ein Trampolin, eine Schwinge und ein Klettergerät mit Rutsche und Sandspiel – viele Wünsche der Anwohner konnten umgesetzt werden. 

Ein zweiter Bereich auf dem Dach bietet mit Sonnenliegen, Picknicktischen und Bänken Möglichkeiten zum Treffen und Erholen für alle Anwohner.

Gestalterisch wurde dies in zwei geschwungene, miteinander verbundene Ellipsen gefasst. Die klaren Formen bieten aus den umliegenden Wohnblöcken von oben betrachtet ein attraktives Bild. 

Der Gesamtaufbau war aus statischen Gründen auf 50-60 Zentimeter Höhe und eine bestimmte maximale Flächenlast begrenzt. Eine besondere Herausforderung für den Einbau von Spielgeräten, die nicht einfach in Betonfundamente gesetzt werden konnten. Eine Plattengründung wurde erforderlich, ebenso wie eine genaue Überprüfung der entstehenden Flächenlasten.

Bei der Neuanlage wurde ein Retentionsdach realisiert, das Regenwasser zurückhält und für die Vegetation verfügbar macht. So konnte mit überschaubarem Pflegeaufwand eine bunte und insektenfreundliche Strauch- und Staudenpflanzung realisiert werden, die den Kindern (und Erwachsenen) sinnliche Reize und Naturerleben bietet – was ebenso wichtig ist, wie die Spielangebote.

 

Vertikales Spiel verbindet

Wie aber den Spielplatz auf dem Dach ein- und anbinden? Im Bestand gab es stirnseitig je eine versteckte Treppe oder Rampe, die zudem stark mit Sträuchern und Kletterpflanzen eingewachsen waren. Das Dach war schwer auffindbar und von unten nicht erlebbar. Zunächst wurde die Vegetation zurückgenommen und so mehr Offenheit geschaffen. Doch dies allein reichte nicht aus.

So wurde eine „Spielgalerie“ am Ostgiebel entwickelt, die den Höhenunterschied zum Dach spielerisch nutzt: Die ca. vier Meter Höhendifferenz können erklettert und wieder heruntergerutscht werden. Die farbenfrohe Gestaltung der Spielgalerie zieht schon von weitem die Blicke auf sich und macht auf das Angebot auf dem Dach aufmerksam. Wer nicht klettern möchte, nimmt die nebenliegende Treppe, die in Verbindung mit der Galerie deutlich besser zur Geltung kommt, als vorher. 

Die Höhe von vier Metern überschreitet die zulässige Fallhöhe für herkömmliche Fallschutzbeläge. Daher wurde die Galerie vollflächig mit einer transparenten Holzlattung geschlossen, hinter der vertikale Kletterstrukturen über mehrere Ebenen nach oben führen. Die Rutsche ist ebenfalls geschlossen (Röhrenrutsche). Auf diese Weise konnte auf kleinem Raum viel Spielwert geschaffen werden.

Bei einer Sonderanfertigung dieser Art sind viele Detailfragen zu lösen. So mussten passgenaue Öffnungen in der Attika der Parkgarage geschaffen werden und die obere Anbindung des Geräts sicherheitstechnisch gelöst werden. Die Konstruktion steht in sich, was die schwierige Frage einer statisch wirksamen Anbindung an die Parkgarage umging. Zudem wünschte der Bauherr weiterhin die Möglichkeit, die Dachspielfläche zu schließen, was die Integration einer Zaun- und Toranlage erforderlich machte.

 

Resümee

Die Freiräume und ihre Aufenthalts- und Nutzungsqualität haben einen wesentlichen Einfluss auf die Gesamtattraktivität eines Wohnquartiers. Allzu häufig wird die Freiraumgestaltung in Wohnquartieren bauabschnittsweise und gebäudebezogen und damit zu kleinteilig gedacht.

Die Spielangebote sind dabei ein wesentlicher Faktor. An falscher Stelle platziert (in engerem Zusammenhang oft gar nicht vermeidbar) führen sie zu Konflikten. Werden sie zu kleinteilig gedacht, fehlt oft der Zusammenhang und die Spielqualität der Einzelelemente. Vor jedem Haus ein Wipptier macht Kinder nicht glücklich.

Ein Freiraumkonzept als Masterplan über einen möglichst großen Quartierszusammenhang hinweg ist geeignet, um verschiedene Bausteine sinnvoll anzuordnen und zu verbinden und bietet darüber hinaus die Möglichkeit, eine durchgängige gestalterische Identität und Orientierung zu schaffen. Die vorhandenen Freiräume können entsprechend ihrer unterschiedlichen Potenziale genutzt werden und Funktionen an der richtigen Stelle platziert werden – z.B. lärmintensiveres Spiel abseits von lärmempfindlichen Bereichen.

Ganz wichtig sind auch die Möglichkeiten, die sich hinsichtlich der Bündelung von Investitionen bieten: Die einzelnen Investitionen können in einen größeren Gesamtzusammenhang gestellt werden, der mehr Spielraum bzw. über Prioritätensetzungen auch mal ein „Highlight“ erlaubt, was eine gebäudebezogene Betrachtung nicht ermöglichen würde.

Insofern lohnt sich der Aufwand, nach dem Motto: Erst die Gesamtheit denken, dann die Einzelbausteine. Dies gilt in erster Linie für Quartiere eines Eigentümers. Aber ist ein solches Konzept nicht sogar über Grundstücke verschiedener Eigentümer hinweg denkbar?

 

Weitere Informationen:

Auftraggeber: Zentrale Versorgungskasse der Landeshauptstadt Hannover (zvk)
Leistungsphasen 1-8 nach HOAI

Bearbeitung Gesamtmaßnahme: 2015 – 2020, in mehreren Bauabschnitten

Teilbereich Spielplatz Laher Kirchweg: Matthias Niestroj Garten- und Landschaftsbau GmbH 

Teilbereich Dachfläche: Retentionsdach und intensive Dachbegrünung, Möblierung und Spielplatz inkl. Spielgalerie: Fa. Kretschmer GmbH, Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau 

Dachbegrünung: Systemaufbau Retentionsdach der Fa. Optigrün

Spielgalerie: Sonderanfertigung der Fa. Spiel-Bau GmbH

 

Architekturbüro: 

Linnea Landschaftsarchitektur

Appelstraße 20
30167 Hannover
Telefon: 0511/56909010
www.linnea-la.de

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