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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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20.06.2011 - Ausgabe: 3/2011

Würzburg: Bunte Farbklecks im betongrau der umliegenden Hochhäuser

Von Sebastian Schneider, Kaiser + Juritza Landschaftsarchitekten und Ingenieure

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Der aus den 70ern stammende Spielplatz in der Römer Straße war nach knapp 30 Jahren stark renovierungsbedürftig und nicht mehr zeitgemäß. Als besonderes Erschwernis kam hinzu, dass der Spielplatz auf einer Tiefgarage, die mittlerweile ebenfalls sanierungsbedürftig und ungenutzt war, errichtet wurde.
Die Nichtnutzung der Tiefgarage hängt mit der städtebaulichen Entwicklung des Stadtteils Heuchelhof H1 zusammen. In den 70er Jahren geplant, entstand hier eine Wohnsiedlung aus Hochhäusern. 1980 wurde jedoch der Hochhausbau eingestellt bzw. teilweise weniger Geschosse gebaut. Der Überschuss an Tiefgaragenstellplätzen stammt somit aus der Anfangszeit, als man mit einer höheren Wohnungszahl rechnete.
Bereits zu Beginn der Planung war klar, dass es nicht sinnvoll sein kann, eine nichtbenötigte Tiefgarage aufwendig zu sanieren. Daher entstand die Idee, die Tiefgarage abzubrechen und somit vollkommen neue Rahmenbedingungen für die Gestaltung der Flächen zu schaffen.

Spiel- und Gestaltungskonzept

Als Grundidee sollte ein attraktiver Stadtraum mit hoher Aufenthalts- und Kommunikationsqualität, sowie Bewegungspotential für Jedermann geschaffen werden. Es sollte nicht einfach ein Kinderspielplatz entstehen, sondern Ziel war es, eine Plattform für ein nicht alltägliches Bewegungsangebot zu schaffen, das Bewegungsfeld. In die Vorplanungen für das Bewegungsfeld wurden das Sozialreferat der Stadt, die ansässigen Schulen, Kindergärten, das Jugendhaus, Vereine, Verbände sowie die Gesundheitsfürsorge einbezogen.
Im Mittelpunkt des Bewegungsfeldes stehen Klettern, Balancieren und Hüpfen. Die Planer ließen sich bei den teilweise speziell für das Bewegungsfeld konzipierten Spielgeräten von Hochseilgärten und den Sportarten Bouldern und Parkour inspirieren. Eine Besonderheit des Bewegungsfeldes ist, dass es von allen Altersgruppen genutzt werden kann. Die Kletterwände haben unterschiedliche Schwierigkeitsgrade und lassen Raum für Spielinterpretationen. In die Wände eingelassene Ösen können als Slacklinebefestigungen genutzt werden. Der eigens mit der Fa. Corocord entwickelte Hochseilgarten bietet ebenso verschiedene Schwierigkeitsstufen mit Fallhöhen bis 3,00m. Für die Planung und Einhaltung der Sicherheitsbelange wurde das Büro Kaiser + Juritza durch den Spielplatzsachverständigen Fritz Blume (Deula Westfalen-Lippe GmbH) unterstützt.
Bei der Gestaltung der Spielflächen entschied man sich für eine bewegte Hügellandschaft, die von einem mäandrierenden Tal durchzogen wird. Optisch unterstützt werden die Höhenunterschiede durch Farbwechsel. Die modellierte Landschaft bietet somit einen eigenständigen Spielwert. Der Untergrund wurde aus einem allwettertauglichen Kunststoffbelag erstellt, der entsprechend den Objektanforderungen Fallhöhen bis 3,00m zulässt. Als skulpturales Highlight schieben sich drei Kletterwände aus Spritzbeton entlang des Flusslaufes aus dem Boden. Die Halbkugel bietet durch ihre gebogene Form unterschiedlichste Schwierigkeitsgrade und ist mit der langen Boulderwand durch eine Slackline zu verbinden. Der pilzförmige Überhang ist vor allem für geübte Kletterer gedacht und erst nach einigem Training zu überwinden. Die geschwungene Käsemauer bietet mit ihren Löchern und dem ansteigenden schmalen Grad vor allem eine Herausforderung für kleinere Kinder und bildet einen in sich abgeschotteten Bereich. Die Grundthemen werden durch weitere Spielgeräte, wie Gurtsprungband, Mikadohölzer, Balancebalken und –steg, Hüpfpilze, Drehbalken und Drehscheibe unterstützt. Überragt wird das abgesenkte Spielfeld von zwei Sonnensegeln. Die Problematik des Vandalismus spielte bei der Materialwahl eine entscheidende Rolle. Stahl und Beton sollen möglichst wenig Angriffsfläche bieten. Des Weiteren wurden Jugendliche aus dem Stadtteil gewonnen, die zukünftig aktiv bei der Betreuung des Bewegungsfeldes mithelfen.
Die ehemaligen Außenwände der Tiefgarage wurden durch eine Boulderwand vom Spielfeld getrennt. Bei der farblichen Gestaltung der Betonwände unterstützte der Graffitikünstler Dominik Hofmann die Planer. Eine der besprühten Betonwände wurde in einem Workshop mit Jugendlichen gestaltet.

Planung und Bau

Die einfache Grundidee, eine bestehende Tiefgarage in ein generationenübergreifendes Bewegungsfeld umzubauen, erforderte umfangreiche Planungen und Abstimmungen, da es sich um einen Verbindungsbau zwischen zwei großen genutzten Garagen handelte. Diese wiederum befanden sich direkt unter den einzigen Zufahrtsstraßen zur Baustelle, konnten also nur bedingt mit Baumaschinen und LKW befahren werden. Die Modellierung der Hügellandschaft erfolgte großenteils mit dem Abbruchmaterial, welches vor Ort gebrochen wurde. Das Oberflächenwasser des Bewegungsfeldes kann auf dem Fallschutzbelag versickern, zur Sicherheit gibt es noch Notüberläufe in den Kanal. Als besondere Herausforderung gestalteten sich die von der Fa. Schmück ausgeführten Spritzbetonwände, sowie die Anordnung und Unterbringung aller Fundamente. Bedingt durch die teilweise niedrige Überdeckung zur Bodenplatte mussten alle Fundamente exakt in der Modellierung angeordnet, sowie vorab höhen- und lagemäßig genau geplant werden. Eine korrekte Überschneidung der Fallbereiche musste hierzu ebenso stets eingehalten werden. Als Planungs- und Umsetzungshilfe dienten sowohl ein 3-D Modell, als auch ein Arbeitsmodell.

Erste Reaktionen

Am Tag der Eröffnung stürmten bereits 200 Kinder das Bewegungsfeld. Den umliegenden Anwohnern gefällt vor allem der erfrischend bunte Farbklecks im betongrau der umliegenden Hochhäuser. Das Bewegungsfeld soll zukünftig auch von den umliegenden Kindergärten und Schulen als Ergänzung zum Sportunterricht genutzt werden. Weiter sollen Gesundheitskurse des Quartiersmanagements Heuchelhof dort stattfinden. Mit dem Bewegungsfeld ist somit am Heuchelhof ein neuer sportlicher Mittelpunkt entstanden.

 

Planungs-/ Bauzeit: 2009-2011
Neugestaltete Fläche: ca. 2800m²
Bausumme: 830.000€
Bauherr: Stadt Würzburg, Fachbereich Stadtplanung + Gartenamt
Gefördert durch das Bund-Länder-Städtebauförderungsprogramm II
„Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - Soziale Stadt“ für die Maßnahme Heuchelhof H1 durch die Regierung von Unterfranken
Planung und Bauüberwachung: Kaiser + Juritza Landschaftsarchitekten und Ingenieure
Joachim Kaiser, Stefan Hofmann, Sebastian Schneider
Tragwerksplanung: Mitnacht + Klüber beratende Ingenieure für Bauwesen
 

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