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Playground@Landscape

Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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17.08.2011 - Ausgabe: 4/2011

In den Garten gehen - sich spielend bewegen

von Dirk Schelhorn, Landschaftsarchitekt; Spielraumplaner, Kindheitsforscher

Photo

Initiiert durch den Jugendrat der Stadt Koblenz entstand unter Beteiligung junger Menschen eine Grundidee zum größten Spielbereich auf der BuGa. Grundsätzliche Forderung war die Nachhaltigkeit, um Kindern und Jugendlichen aus der Region eigenen Freiraum mit vielfältigen Aufenthaltsqualitäten, besonders unter dem Aspekt „experimenteller Bewegungsmöglichkeiten“ zur Verfügung stellen zu können.

Während der Baumaßnahme konnte die Bevölkerung aus den umliegenden Stadtteilen sich immer wieder ein Bild machen. Im Rahmen von Bauaktionen gestalteten Jugendliche die Beläge mit und montierten mit großem Spaß Spielgeräte.

Nachstehende Grundforderungen wurden gemeinsam erarbeitet:
Abenteuer: sich austoben, Grenzen austesten, Einmaligkeit
Gemeinsamkeit: sich treffen, zusammensitzen, Gemeinsam etwas erLeben
Natur: viel vorhandene Natur, Integration von Natur in Spielabläufe, Natur als Spielort, Natürliche Unordnung als Inspiration

Ideen / Realisierung

So entstand die Idee eines Bewegungsgartens mit erfahrbaren Gegensätzen durch das eigene Tun:
Natürlich – Gestaltet; Licht – Dunkel; Offen – Dicht; Nah – Fern; Oben – Unten; Aktiv – Passiv; Langsam – Schnell; Jetzt – Später; Weiß – Schwarz; Kunst – Natur; Leicht – Anstrengend; Allein – Zusammen; Spontan – Geplant; Glatt – Rau; BeGreifen - VerStehen

Mit dem Konzept von Schelhorn Landschaftsarchitektur wird dem Wunsch entsprochen einen natürlichen, landschaftlich geprägten Raum als Spielbereich zu entwickeln, als Garten zum Klettern, Rennen, Ausruhen, Treffen. Aber auch einen bespielbaren Garten für eigene Experimente, sogenannte Orte zum Ausprobieren.

Es entstanden Spielinseln mit unterschiedlichen Schwerpunkten in einem Rhythmus, der die Besucher auffordert, auf Entdeckungsreise nicht nur des Raumes zu gehen. Es gilt eigene Fertigkeiten zu entdecken, die Welt der persönlichen Bewegung zu erforschen.

Von der Schaukelwelt an einem Hochpunkt mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden über die Insel der Trampoline durch die Gräser- und Sträucherlandschaft zur Drehwelt mit verschiedenen Kreiseln gilt es, Entdeckungen zu machen.

Inhaltlich sind diese Welten vernetzt.
 das Hoch und Runter auf den Schaukeln eröffnet neue Perspektiven, vor allen Dingen auch Erlebnisse im Miteinander
 Auf den Trampolinen werden Gräserlandschaften visuell übersprungen, um den Rhythmus schaukelnder Freunde zu beachten und neue Regeln zu erfinden
 Die Kreiselwelt in der Landschaftssenke muss entdeckt werden, persönliche kleine, aber auch große Erfahrungen miteinander lassen alles offen.

Das experimentelle Zentrum ist die Endloskletterwelt. Je nach Können und Mut ist das Thema Kletterwand zu einem Kletterraum weiter entwickelt. Natürliche Klettersteine bis drei Meter Höhe sind in einer genau festgelegten Anordnung integriert. Unterschiedliche Materialien und speziell gefertigte Objekte sind zu einer raumumfassenden Strecke von über 100 m entwickelt. Jeder Griff, jeder Tritt und Körperwendung ist ein Experiment, eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Mut und Können.
 Die Endloskletterwelt erfordert Kraft, Ausdauer, soziale Kompetenz, Spaß und Lust, sich jeden Meter auf etwas Neues einzulassen oder Neues zu erfinden. Dreidimensional, Raumdurchgreifend sind dem Spielenden alle Wege offen.

Die Philosophie dieses Gartens hat noch eine zusätzliche, aufregende Dimension erhalten: Die Wege in der Höhe, die Himmelsstege.
Auf über hundert Meter Länge, im Belag gewellt und durch die Landschaft geschwungen, überspannen sie die Bewegungswelten und finden Ruheorte in zwei riesigen Baumhäusern. Teilweise sind es schwebende Wege, die die Gräserlandschaften überbrücken, teilweise steigen sie in die Höhe auf über drei Meter Höhe. Die Baumhäuser sind teilweise sogar mit Kinderwagen und Rollstühlen erreichbar. Niemand soll ausgegrenzt sein. Zwei unterschiedliche Rutschbahnen fordern auf, Spielwege zu erfinden, neue Wege zu entdecken. Ist kind erst mal unten, sind die Wege neu, die es gilt wieder nach oben zu finden.

Doch nicht nur Bewegungserfahrungen und der Aufbau von eigenem Spannungspotential ist in diesem ´Garten´ erfahrbar. Ruhepole, Plätze und Bereiche zum sinnigen Verweilen, zum Lagern sind landschaftlich eingestreut.

Ein alter Stall ist zur kleinen Gastronomie mit Lehr- und Lehrräumen geworden. Das Konzept einer intensiv bespielbaren Landschaft bietet nachhaltig damit den Menschen aus den umliegenden Stadtteilen auch nach der Bundesgartenschau einen erstrangigen Anlaufpunkt.

In diesem Zusammenhang ist dem ´Ankommen´ noch ein besonderer, erlebbarer Augenmerk gewidmet. Zwei Eingangsbereiche als einfache freie Räume, sind ein Puffer, ein sinnlich geprägter Übergang zwischen dem Losgehen von zu Hause und dem Ankommen in dieser wunderbaren Welt des Spielens.

Fazit

Durch die Idee der Entfaltungen des Raumes werden persönliche Entfaltungen erst möglich. Der bespielbare Garten als Möglichkeitsraum.
Um den Aspekt der Natur zu stärken, wurden zum Einen etliche Bäume erhalten, zum anderen auch neue integriert. Das Prinzip des ausgefransten Waldes ist ein Teilergebnis.

Die einzelnen Spielangebote entsprechen einer Verschmelzung mit dem Raum und nicht dem klassischen Prinzip einer Möblierung.

Das Wegesystem beschränkt sich im Prinzip auf die vorgegebene Achse im Süden am Waldrand. Nur ein Zugangsweg vom Norden wird ergänzt. Der schwebende Holzsteg ordnet sich den Raumaspekten unter, ist aber hauptsächlich Spielort und erschließt in Teilen zusätzliche Möglichkeiten für gehandicapte Menschen, speziell für Rollstuhlfahrer unter integrativen Ansätzen.

Die möglichen Aktivitäten von Westen nach Osten unterliegen nicht nur dem Rhythmus von einer offeneren bis zur geschlosseneren Landschaft. Rhythmisierend ergänzen sich

 experimentelle Bewegungsformen ( Trampolin )
 mit erzwungenen, schwingenden Bewegungen ( Schaukeln )
 oder unterschiedlich ausgeprägten kreiselnden (Drehscheiben, Kreisel, Schwungscheibe ) Bewegungsangeboten.

Für die Objekte / Schwerpunkte der Spielwelten werden gleichartige Landschaftsräume angeboten, um den Gedanken des Gartens im Fluss zu halten.
In diesem Sinne können alle Besucher im tiefsten Sinn der Bedeutung Mensch sein:
Homo ludens – der spielende Mensch.

 

Rahmendaten:
Schelhorn hat den Wettbewerb zu diesem Projekt gewonnen
Bearbeitung aller Phasen
Baubegleitung BUGA: Frau Straubenmüller
Herstellungskosten ca. 1.000.000,00 €
Spielgeräte: Emsland-Kinderland-Spielgeräte; Baumhäuser - Kletterraum Fa. Kuckuck
 

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