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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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08.08.2012 - Ausgabe: 4/2012

Strategische Freiraumentwicklung schafft Spielräume

Von Rüdiger Wagner, Jung Stadtkonzepte, Stadtplaner & Ingenieure Partnerschaftsgesellschaft

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Eine Schlüsselrolle können Landschaftsarchitekten besetzen, wenn es der Zunft gelingt, früher als bisher ihre generalistische Expertise und fachübergreifende Arbeitsweise in die Prozesse der Freiraumentwicklung einzubringen.

Urbaner Freiraum im 21. Jahrhundert: Wandel als Herausforderung und Chance

Die klassische städtische Freiraumentwicklung war auf Wachstum ausgelegt und sollte die gesundheitsschädlichen Aspekte der stark wachsenden europäischen Städte des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts kompensieren. Die Idee des öffentlichen Freiraums als gesundheitsförderndes stadträumliches Element hat darin ihren Ursprung.
Die heutige Stadt steht in vielen europäischen Regionen vor Herausforderungen des Wandels. Wirtschaftliche und demografische Umbruchsprozesse und der Klimawandel haben starke Auswirkungen auf das Bild, die Struktur und die Nutzung der städtischen Frei- und Grünraums. Die Auswirkungen dieser Prozesse steigern die Anforderungen sowohl an städtische Freiräume als auch an Konzepte zu deren Entwicklung.

Die Probleme und Herausforderungen der Stadt- und Freiraumentwicklung sind bekannt, und Landschaftsarchitekten können mit ihrer querschnittsorientierten Expertise eine Schlüsselposition bei ihrer Lösung besetzen. Ambitionierte Projekte der Freiraumplanung scheitern jedoch oft an finanziellen Engpässen und wirtschaftlichen Zielkonflikten. Die wichtigsten Fragen: Wie erreichen die Akteure vor dem Hintergrund der leeren kommunalen Kassen die gesteckten Ziele? Welche aktivierenden Strategien lassen sich in der vorbereitenden Projektentwicklung, aber auch in der Umsetzung stadt- und freiraumplanerischer Projekte anwenden, um die zielgruppengerechte Qualität städtischer Spielräume zu fördern? Mit welchen Partnern und Fachleuten muss man zusammenarbeiten, über die Runde der „üblichen Verdächtigen" der Stadtentwicklung hinaus? Wie können Unternehmen, Institutionen und private Initiativen in eine strategische, langfristig wirksame und dennoch angemessen flexible Freiraumentwicklung eingebunden werden, die ausreichend Raum für Spielflächen bietet?

Einige Projekte zeigen den Ansatz der strategischen, fach- und akteursübergreifenden Freiraumentwicklung am praktischen Beispiel. Die Bandbreite reicht von fachübergreifenden, standortbezogenen Projektpartnerschaften über flexible Miet-, Pacht- und Eigentumsmodellen bis zu kombinierten, integrativen Freiraumnutzungen.

Eickel-Center Herne: generationenübergreifend bespielbarer Freiraum als Herz des Stadtteils

Das Eickel-Center als Einkaufszentrum im Herner Stadtteil Eickel wird durch Schrumpfungstendenzen beeinflusst und musste wie das gesamte Stadtquartier bereits spürbare Änderungen des Branchenmixes hinnehmen. Das Ergebnis einer von Jung Stadtkonzepte erstellten Markt- und Standortanalyse mit strategischer Beratung waren konkrete Handlungsempfehlungen für eine zielgruppenorientierte Aktivierungsstrategie. Das Fazit: das Center ist ein wichtiger Nahversorgungsstandort insbesondere für eine zunehmend älter werdende Kundschaft im Stadtteil, für die eine fußläufige Vernetzung und eine hohe, barrierefreie Freiraumqualität eine besondere Rolle spielt. Aber auch Familien mit Kindern innerstädtische benötigen Frei- und Spielräume im Stadtquartier. Die Empfehlung lautete daher, ein an das Modell der Immobilien- und Standortgemeinschaften angelehntes gemeinsames Handlungskonzept mit einem Schwerpunkt auf der Freiraumentwicklung gemeinsam mit den Gewerbemietern in die Tat umzusetzen. Das Konzept stärkt die Möglichkeiten der barrierefreien Bewegung und sozialen Kontaktaufnahme älterer Bürger im Stadtquartier, verbessert die Lebensqualität des Stadtteilzentrums und empfiehlt einkaufsnahe Spiel- und Aufenthaltsbereiche als Ergänzung zu den öffentlichen Spielplätzen im Stadtteil.

Grabeland Siedlung Freiwiese: Mietergärten als Zwischennutzung

Die Siedlung Freiwiese in Herten – Langenbochum wurde von den Hertener Stadtwerken als Projektentwickler realisiert. Neben der konzeptionellen Einheit von Grundstücken mit effizienter Energie im Rahmen des Konzepts „Hertener Siedlungen“ wurde Wert auf ein kinderfreundliches, zielgruppengerechtes Wohnumfeld gelegt. Als konzeptioneller Baustein wurde gemeinsam mit dem Landschaftsarchitekten ein flexibles Zwischennutzungskonzept als klassisches Grabeland entwickelt. Dessen Besonderheit: es handelt sich um temporäres, sehr pachtgünstiges Gartenland für die Selbstversorgung. Im Rahmen der Markt- und Standortanalyse wurde die Nachfrage nach solchen flexibel als Spiel- und Nutzgarten einsetzbarer Gartenflächen bei den Zielgruppen am Standort ermittelt. Kommune und Projektträger ließen sich durch deren positives Ergebnis überzeugen, ein solches Konzept mit flexiblen Ausbauszenarien umzusetzen. Die endgültige Ausbaustufe ist bereits erreicht; die Siedler profitieren von günstigen Gartenflächen, und der kommunale Eigenbetrieb muss weniger Flächen pflegen und hat geringere Kosten. Die Flächen laden Familien mit Kindern zum Spiel im Freien und zur gemeinsamen entspannenden Arbeit an der frischen Luft ein und bieten frische, selbst angebaute Lebensmittel.

Siedlung sonne+: Flexible Freiraumzonierung

Die Siedlung sonne+ ist ein Modellprojekt für die Versorgung von Neubausiedlungen mit 100% erneuerbaren Energien. Das Städtebauliche Konzept folgt dem Leitbild des ländlichen Wohnens: Die differenzierte, verzahnte Abfolge von öffentlichen, gemeinschaftlichen und privaten Freiräumen ermöglicht eine aktive Nachbarschaft bei gleichzeitigen Rückzugsmöglichkeiten in die eigene Privatsphäre. Günstige, flexible Rahmenbedingungen seitens des Projektträgers ermöglichen dabei die Umsetzung qualitätvoller Freiräume mit Bauträgern und Investoren. Das Konzept fördert die aktive Nachbarschaft und die gemeinsamen Gartennutzung für unterschiedliche Lebensphasen. Ein System von kollektiven Frei- und Streifräumen mit einem naturnah gestalteten Spielplatz im Zentrum der neuen Siedlung wurde realisiert und die Projektentwicklungskosten auf mehrere Schultern verteilt.

Generalisten sind gefragt!

Die Entwicklung von Spielflächen muss in der Freiraumplanung als querschnittsorientiertes Thema schon zu einem frühen Zeitpunkt bei allen Projekten der Stadtentwicklung ein entsprechendes Gewicht gegeben werden. Integrative Konzepte für die Stadtentwicklung und die Aktivierung unterschiedlicher Partner mit Verantwortung für den Standort entlang des roten Fadens der gemeinsamen Interessen sind die Schlüssel. Landschaftsarchitekten sind als per se querschnittsorientierte Fachleute in der Lage, diese Prozesse zu begleiten und sich wieder früher und stärker in die Diskussion einzubringen. Die vorgestellten Strategien und Projektansätze skizzieren Chancen und Möglichkeiten für die grüne Zunft, sich bereits frühzeitig mit fachübergreifenden und integrativen Konzepten an der Stadt der Projekte zu beteiligen. Landschaftsarchitekten als Generalisten sind gefragt!

 

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