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Internationales Fachmagazin für Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen

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18.02.2019 - Ausgabe: 1/2019

Erforschung der Schulhofmerkmale und körperlichen Aktivität von Kindern durch Mapping

Prof. Claudio R. Nigg (Institut für Sport und Sportwissenschaft (IfSS), Karlsruhe Institut für Technologie & Office of Public Health Studies, University of Hawaiʻi at Mānoa)

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Die Schulen als Setting bieten weltweit möglicherweise die beste Gelegenheit, körperliche Aktivität (kA) von Kinder zu fördern (Institute of Medicine, 2013), da einerseits Kinder einen Großteil ihrer Wachstunden in der Schule (Black et al., 2015) verbringen, und andererseits dort eine große Anzahl von Kindern mit unterschiedlichen sozialen Hintergründen erreicht werden kann (Andersen et al., 2015). Vor allem Minderheitenkinder profitieren von kA-Angeboten in schulischen Einrichtungen (Meyer et al., 2013).

Der Einfluss von bebauten Umgebungen auf die kA von Kindern wird in mehreren Studien beschrieben (Fleas et al., 2016), aber Forschung zu den Besonderheiten von Schulhöfen und deren Auswirkungen auf kA bei Kindern, ist im amerikanischen Sprachraum sehr begrenzt: In früheren Arbeiten wurde festgestellt, dass „aktive Spielplätze“, bei denen eine Vielzahl von Geräten und Materialien, die von den Kindern kreativ genutzt werden können, verfügbar sind,  soziale, körperliche, emotionale und kognitive Entwicklung positiv beeinflussen können (Czalczynska-Podolka, 2014). Zu den für die Förderung von kA bei Kindern förderlichen Spielplatzfunktionen gehören die Verwendung von Farben für Spielplätze (Ridgers et al., 2007; Stratton & Mullan, 2005), die Bereitstellung dauerhafter und entfernbarer Geräte (Haug et al., 2010) und die Verwendung von flexibel zu gestaltenden Geräten, Mal- und Linienmarkierungen (Willenberg, 2010).

Eine Querschnittsstudie von Black et al. (2015) zeigt, welche Arten von Spielplätzen die moderate oder lebhafte kA (MVkA ) oder sitzendes Verhalten (Sedentarismus) von Kindern fördern (Black et al., 2015): Nach Beobachtungszeiten, die über SOPLAY (System zur kindlichen Spielbeobachtung und Freizeitaktivität Heranwachsender, siehe auch Fußnote 2) ermittelt wurden, wurden Karten von den zwei ausgewählten Grundschulpausenhöfe erstellt, um die kindlichen Aktivitäten auf den einzelnen Bereichen des Schulhofs mithilfe von Scribble Maps Pro (Black et al., 2015) zu visualisieren. Die Ergebnisse zeigen, dass der Pausenhof stark genutzt wurde, aber fast 50% der Kinder inaktiv waren (Black et al., 2015). Wenn die Pausenhöfe als Spielplätze gesehen bzw. umgestaltet würden, auf denen organisierte kA-Programme angeboten werden, könnte ein höheres MVkA-Niveau bei den Kindern erreicht werden (Black et al., 2015). Brittin et al. (2015) verweisen auch auf das Verhältnis zwischen Schulumgebung und kA von Kindern, betonen jedoch das Fehlen konkreter praktischer Vorschläge für Schulgestalter, Planer, Architekten, Pädagogen und Angehörige der öffentlichen Gesundheit. Sie entwickelten Schulentwurfsrichtlinien, indem sie die reale Pausenhofgestaltung und Forschung zu kA von Kindern mit einem qualitativen Review verknüpften (Brittin et al., 2015). Um Gestaltungsprinzipien für Schulhöfe zur Förderung von kA zu entwickeln, ist es notwendig, unter Verwendung empirischer Methoden die spezifischen Arten von Räumen und Geräten zu verstehen, die am wahrscheinlichsten kA bei Kindern stimulieren (Farley et al., 2008).

Aufbauend auf diesem US-amerikanischen Forschungsstand haben wir die Besonderheiten von Schulhöfen und deren Einfluss auf die kA von Kindern untersucht, indem wir Karten der kA von Kindern auf Schulhöfen erstellt haben. Diese Aktivitätskarten können in Kombination mit detaillierten Karten der Schulhofflächen Aufschluss darüber geben, welche Arten von Konstruktionsmerkmalen (z. B. die Nutzung von Grünflächen oder eine dichte Konfiguration von Spielgeräten) auf den Schulhöfen am attraktivsten für die Kinder sind und einen hohen Aufforderungscharakter für kA bei den Kindern auslösen. Unser Ziel ist es, die Gestaltungsprinzipien zu beleuchten und zu verstehen, um die zukünftigen Bemühungen zum Aufbau gesunder, aktiver Räume für Kinder lenken zu können.

Vorgehen

An unserem Projekt nahmen 24 städtische Grundschulen in Denver, Colorado, teil. Die beobachteten Kinder waren zwischen 6 und 11 Jahren alt (Anthamatten et al., 2011; Brink et al., 2010).

Die Schulhöfe wurden je nach Größe und Eigenschaften der Schulhöfe in Beobachtungszonen unterteilt (Brink et al., 2010). Systematische Beobachtungen wurden an jeder Schule im April und Mai über einen Zeitraum von vier Jahren von 2010 bis 2013 an vier Tagen durchgeführt. Die Kinder wurden zu Zeiten vor Schulbeginn, während der Schulpausen, nach der Schule und an den Wochenenden beobachtet. SOPLAY-Beobachter  stuften die Intensität der kA für jedes beobachtete Kind als „sitzend“, „gehend“ oder „sehr aktiv“ ein (McKenzie, 2006).
Die Merkmale der vierundzwanzig Schulhöfe wurden in einem Geo- Informations-System (GIS) digitalisiert. Die Geodaten wurden mit aktuellen Satellitenbildern von Google Earth überprüft. Für das Design und die Konfiguration relevante Merkmale wurden zur Abbildung ausgewählt, dazu gehören bepflanzte Bereiche, Bäume, schattenspendende Zonen, Sand- und Sandkästen sowie weitere bauliche Merkmale, Spielplatz- oder Sportplatzmarkierungen (z. B. für Himmel & Hölle  oder Basketball) und Bereiche, die ausschließlich für Sportarten bestimmt sind (z. B. Baseball oder Basketball). Die Beobachtungszonen wurden aus den Originaldokumenten abgeleitet, die an die Beobachter verteilt wurden, um ihre Datenerfassungsarbeit zu leiten.

Durchschnittlich wurden 46,3 Beobachtungen für jede Zone gesammelt. Um Daten über die kA von Kindern zu erhalten, wurden Daten aus den SOPLAY-Beobachtungen entnommen und für jede Zone zusammengefasst. Dies ergibt einen Prozentsatz der in jeder Zone beobachteten Kinder, die in der gesamten Studie an MVkA beteiligt waren.

Da es das Ziel der Aktivitätskartierung war, zu zeigen, in welchen Bereichen der Schulhöfe die Kinder am aktivsten sind, war es wichtig, eine relative Messung für jeden Schulhof zu erstellen. Der Zweck der Karten besteht darin, zu zeigen, welche Komponenten des Raums für die Kinder jeder einzelnen Schule aktivitätsförderlich waren. Durch das Abbilden eines relativen Maßes beseitigen die Karten die Auswirkungen von Schwankungen zwischen den Schulen, die je nach Schülerzahl, Schulaktivitäten oder anderen sozialen oder Umweltfaktoren variieren können. Die auf der Karte angegebenen Zahlen sind die für jede Zone beobachtete Varianz der MVkA-Rate. Das heißt, die beobachteten Werte von einer Zone wurden vom Gesamtdurchschnitt der gesamten Schule abgezogen.

Die Karten werden eingefärbt, um die Bereiche mit hoher Aktivität hervorzuheben, in den dunkleren Zonen findet kaum körperliche Aktivität der Kinder statt, die hellste Farbe steht für weniger als -25% des MVkA-Schuldurchschnitts, gefolgt von -25 bis -5%. -5% bis 5%; 5% bis 25% und mehr als 25% (siehe Bild).

Ziel war es, die Zone bzw. deren Merkmale mit der höchsten und der niedrigsten kA der Kinder zu bestimmen. Die Schulhofzonen wurden nach jeder Aktivitätsstufe für jede Schule gruppiert. Die Erkenntnisse anhand der Schulhofkarten wurden detailliert niedergeschrieben. Alle Daten wurden in einer großen Tabelle gesammelt, um einen Überblick über alle körperlichen Aktivitäten der Kinder zu erhalten. Auf dieser Grundlage wurde die Beziehung zwischen den Schulhofgestaltungen und der kA der Kinder analysiert. Dies ermöglichte es den Forschern, Ergebnismuster zu identifizieren.

Resultate

Die Ergebnisse der Beobachtungen von 24 Schulhöfen bezüglich der kA von Kindern wurden durch Kartierung visualisiert. Dies ist eine innovative Methode, um neue Erkenntnisse über die Nutzung verschiedener Funktionen auf dem Pausenhof zu erhalten und damit Rückschlüsse auf innovative Schulhofdesigns ziehen zu können.

Die Analyse ergab mehr Bereiche mit niedrigem kA-Niveau als Bereiche mit insgesamt hohem kA-Gehalt. 10 der 24 Schulhöfe hatten Bereiche mit einem Aktivitätsniveau von >+ 25%. Der niedrigste Aktivitätsgrad von <-25% bestand auf 17 von 24 Schulhöfen. Jeder Schulhof hatte Schaukeln, Felder ohne und mit Markierungen für typische kindgerechte kleine Spiele wie beispielsweise Himmel & Hölle, weitere Spielgeräte und ausgewiesene Sportbereiche beispielsweise für Basketball. Fast jeder Schulhof bestand aus bepflanzten Flächen, bot Schattenbereiche und Sitzgelegenheiten. 5 von 24 Schulhöfen hatten jedoch keine bepflanzten Flächen, 9 von 24 Schulhöfen boten keine Schattenbereiche und Sitzgelegenheiten.

Die größte MVkA trat bei Schaukeln auf, oft kombiniert mit Sand. 5 der 24 beobachteten Schulhöfe wiesen bei Schaukeln ein Aktivitätsniveau von> + 25% auf. Bei + 5% bis + 25% waren die Schaukeln auf 12 von 24 Schulhöfen vertreten. Die niedrigen Aktivitätsniveaus (<- 25%; -25% bis -5%) wurden auf keinem der 24 Schulhöfe mit Schaukeln gefunden. Schaukeln zeigten überhaupt ein hohes Maß an MVkA für Kinder. Felder mit Markierungen wie für typische kindgerechte kleine Spiele waren auch auf einem kA-Level von + 5% bis + 25% vertreten, insgesamt auf 4 von 24 Schulhöfen.

Der niedrigste MVkA trat in bepflanzten Gebieten auf. 10 von 24 Schulhöfen wiesen in den bepflanzten Gebieten einen kA-Wert für Kinder von <-25% auf. Es ist bemerkenswert, dass 7 dieser 10 bepflanzten Gebiete mit der niedrigsten MVkA-Ebene Bäume enthalten. Die bepflanzten Flächen sind jedoch auch auf anderen MVkA-Ebenen zu finden, beispielsweise auf 5 Schulhöfen mit + 5% bis + 25%. Sie erreichten jedoch niemals ein Aktivitätsniveau von> + 25%. 9 von 24 Feldern ohne Markierungen oder Funktionen zeigten einen MVkA-Wert von <-25%.
Die niedrigste MVkA-Stufe wurde bei Schattenstrukturen und Sitzplätzen auf 3 von 24 Schulhöfen erreicht. Auf 6 Schulhöfen erreichten Schattenstrukturen und Sitzgelegenheiten ebenfalls einen MVkA-Wert von -25% bis -5%.

Felder mit Markierungen wiesen ein breites Spektrum an MVkA-Stufen auf. Sie zeigten sowohl hohe als auch niedrige Aktivitätsniveaus.

Die Daten zur Nutzung von Basketballplätzen weisen nach, dass hier fast immer ein moderates oder hohes kA-Niveau erreicht wurde. Das MVkA-Niveau der Kinder an Basketballplätzen lag oft bei -5% bis + 5% und + 5% bis + 25%. 9 der 24 Schulhöfe hatten Sportplätze mit Basketballplätzen eingerichtet, 15 Schulhöfe hatten Bodenmarkierungen und Basketballplätze.

Spielgeräte zeigten auch häufig moderate bis hohe Aktivitätsniveaus. Die Verwendung von kindgerechten Spielgeräten zeigte ein MVkA-Niveau von -5% bis + 5% oder + 5% bis + 25%.

Fazit

Die Kartierung der beobachteten Aktivitätsniveaus auf Schulhöfen kann wichtige Informationen zur relativen Auslastung liefern. Bepflanzte Flächen, nicht markierte Felder und schattenspendende Bereiche scheinen mit einer geringen körperlichen Aktivität verbunden zu sein, wohingegen Schaukeln, Basketballplätze, Spielgeräte und Felder mit Markierungen mit einer höheren körperlichen Aktivität verbunden sind. Diese Erkenntnisse aus Denver können auch für deutsche Schulhof- und Spielplatzgestaltungen sowie -maßnahmen angewandt werden, denn selbst hier ist das Aktivitätsniveau der Kinder auch während der unterrichtsfreien Zeit – beispielsweise in den Pausen – aus gesundheitlicher Sicht noch steigerungsfähig. Dazu braucht es Schul- und Pausenhöfe mit hohem Aufforderungscharakter für die jeweilige Zielgruppe.

Danksagung: Der Autor möchte die Beiträge von Peter Anthamatten, Julia Schneider und Swantje Scharenberg anerkennen. Diese Studie wurde von NICHD/NCI/NIDDK R01HD057229 finanziert.

Quellen: Siehe Artikel auf www.playground-landscape.com

Bild: Kinderland Emsland Spielgeräte

 

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